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Archiv-Artikel

VOR 70 JAHREN ERKLÄRTE DER IRAK DEUTSCHLAND DEN KRIEG Immer auf der Lauer

VON NAJEM WALI

Die Beziehung zwischen dem Irak und Deutschland ist alt, und man darf eher von Freundschaft als von einer durch Kriege geprägten Feindschaft sprechen. Schon in der Zeit der Abbasiden-Dynastie tauschten der legendäre Kalif Harun al-Raschid, den man aus Tausendundeiner Nacht kennt, und der König des Fränkischen Reiches in Aachen, Karl der Große, rege Geschenke aus.

Um die Feindschaft zu verstehen, muss man in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts zurückblicken, als die Rede vom „kranken Mann am Bosporus“ in aller Munde war und der Irak noch unter dem Joch des Osmanischen Reiches stand. „Wir haben einen kranken Mann auf den Armen. Es wäre ein Unglück, wenn er uns eines Tages entfallen sollte“, sagte damals Zar Niklaus I. (1825–1855) zum britischen Botschafter in Sankt Petersburg. Er meinte damit Sultan Abdülhamid II., und es war nur eine Frage der Zeit, bis dieser kranke Mann tot sein und das Erbe an die westlichen Großmächte fallen würde.

Doch noch bevor Russland, Österreich, Großbritannien und Frankreich über die Aufteilung des Osmanischen Reiches zu verhandeln begannen, erkannten die Briten, welche Bedeutung das Zweistromland für ihre Handelswege haben würde. 1840 gründete die britische Familie Leng ein Handelshaus in Bagdad. Sie verfügte ab 1861 über eine Schiffhandelsflotte, arbeitete mit der britisch-indischen Sea Company zusammen und öffnete die Tore für die britische Handelsherrschaft in der Region. Deutschland, das unter Bismarck mit seinen Einheitskriegen beschäftigt war, hat es später bereut, seinen Teil der Beute verpasst zu haben. In Berlin fühlte man sich von den anderen Kolonialmächten überrollt und beschloss, das bankrotte Osmanische Reich mit fetten Investitionen zu locken. So kam es zum Bau der Berlin-Bagdad-Basra-Bahnstrecke, der mit großem Ehrgeiz vorangetrieben wurde.

Aber konnte Großbritannien seinem Erzfeind Deutschland erlauben, sich dem „großen, glänzenden Diamanten der britischen Krone“, wie man Indien damals nannte, so zielstrebig zu nähern? Die Euphorie Kaiser Wilhelms II., der sich persönlich für den Bahnbau einsetzte und bei jedem vollendeten Bahnabschnitt ein zweisprachiges Glückwunschtelegramm an die Bauarbeiter schickte, endete jäh mit dem Ersten Weltkrieg. Der Bahnbau wurde unterbrochen und nach dem Krieg fortgesetzt. Diesmal von den Briten.

Erbe der Großmächte

Nach dem Ersten Weltkrieg und nachdem der Irak unter britisches Mandat gestellt wurde, suchte der Kriegsverlierer Deutschland weiter eine Gelegenheit, im Irak Fuß zu fassen. Doch erst 1941 gelang Deutschland eine kurze Präsenz: Am 2. Mai putschte eine Gruppe der irakischen Armee unter der Führung von Raschid Ali el-Gailani gegen die Engländer. El-Gailani, ein Nazisympathisant, gab aber am 30. Mai trotz militärischer Unterstützung der deutschen Luftwaffe auf. Er flüchtete in den Iran, dann nach Istanbul, von wo aus er mit Hilfe deutscher Agenten nach Berlin geschmuggelt wurde.

El-Gailani wurde im Februar von Mussolini und im Juli 1942 von Hitler empfangen. Auf Verlangen der Briten brach der Irak die diplomatischen Beziehungen zu Deutschland ab und erklärte vor 70 Jahren, am 16. Januar 1943, dem Deutschen Reich, Italien und Japan den Krieg. Aber das blieben – Gott sei Dank – nur Worte. Zu einem Krieg zwischen Berlin und Bagdad kam es nicht und wird es auch hoffentlich niemals kommen. Allerdings – heute liegt eine Hälfte des Irak in den Händen der Engländer (die andere in denen der USA). Und dass Deutschland auf seinen Teil der Beute lauert, wissen wir!

■ Najem Wali, irakischer Schriftsteller, lebt in Berlin. Zuletzt erschien 2011 sein Roman „Engel des Südens“ im Hanser Verlag