VON KRUMMEN TOUREN IN DER EU-KOMMISSSION : Recherche im Frisörsalon
NEBENSACHEN AUS BRÜSSEL
Mein Friseur verachtet die Frauen. Das mag daran liegen, dass er seinen Laden in enger Nachbarschaft zu den Europäischen Behörden eingerichtet hat. Damit sichert er sich zwar eine zahlungskräftige Klientel – und das ist in Krisenzeiten nicht zu verachten. Aber viele der Damen sind reich, verwöhnt, einsam und exaltiert – und dazu je nach Herkunftsland in Geschmack und Wesensart verschieden.
Philippe darf sich seine Abneigung nicht anmerken lassen. Deshalb besitzt er einen Papagei, der in den europäischen Amtssprachen Englisch und Französisch fürchterlich fluchen kann und den Kundinnen ungeniert das Hinterteil zudreht, wenn sie ihn blöd anquatschen.
An diesem Morgen ist es im Laden ungewöhnlich friedlich. Ein paar ältere Belgierinnen lassen sich die Locken drehen und blättern in Illustrierten. Dann aber bricht der Sturm los. Herein stürmt Paola, Mitte vierzig, blond, Stöckelschuhe. Sie informiert den ganzen Laden in italienisch gefärbtem Französisch über das Sauwetter, die Frostschäden, die Parkplatznot. Philippe dirigiert sie in einen Sessel neben dem Waschbecken. Sie lehnt den Kopf zurück und beginnt zu klagen: Vor einem Jahr ist ihr Mann gestorben, die ganze letzte Nacht hat sie deswegen geweint. Jetzt hat sie noch ihre Regel bekommen. Das Schicksal kann manchmal so hart sein!
Die älteren Damen haben ihre Zeitungen sinken lassen und blicken interessiert unter den Trockenhauben hervor. Philippe zuckt die Achseln und murmelt: „Was willst du von einer Frau erwarten, deren Katze Aids hatte?“
Das aber hat Paola sehr wohl gehört, obwohl ihr inzwischen das Wasser in den Ohren gurgelt. Die Katze habe keineswegs an Aids gelitten, sondern an Rinderwahn. Nach dem Ableben des Tiers habe sie eine Gehirnprobe in dem Institut analysieren lassen, mit dem ihre EU-Behörde zusammenarbeitet. Der Veterinär habe ihren Verdacht bestätigt. „Doch das Ergebnis wurde vertuscht. Die großen Tierfutterkonzerne haben Druck gemacht. Sonst wäre ja aufgeflogen, dass sie die Rinderabfälle nicht wie damals vorgeschrieben entsorgten, sondern ins Whiskas mischten.“
Im EU-Viertel genügt ein Besuch beim Friseur, um den Verdacht zu erhärten, dass es in der EU-Kommission auch nicht ehrlicher zugeht als bei der Kölner U-Bahn. Schade nur, dass jede Nachfrage durch eine polnische EU-Beamtin zunichte gemacht wird, die lautstark nach kaffeefarbenen Strähnchen verlangt. „Kaffee ist aus“, sagt Philippe. „Ich werde Ihnen Tee machen.“