VON HIER NACH AFRIKA : Der Autohändler
Das Auto ist krank. Es kann ein Fenster nicht mehr heben und ist am Schiebedach inkontinent. Ein Notfall, denn es regnet. Ich fahre es zum Dottore. Ich bitte ihn, mir ein Taxi zu rufen, um zurückzufahren. Ein älterer Mann mit grauen Haaren, der in der Nähe herumsteht, fragt mich, wo ich wohne. Ich sage nur „Urban“. Wie in: „Isch mach disch Urban!“ Weil ich glaube, dass das Urban einen gewissen Ruf über die Grenzen Kreuzbergs hinaus hat. Der Mann sagt einem jungen Mann mit Glatze, der aus dem Libanon kommt: „Fahr ihn nach Hause.“ Keine Ahnung, warum, aber der macht das tatsächlich. Hat wahrscheinlich sonst nichts zu tun. Aber da täusche ich mich, denn der Mann ist Autohändler.
Er hat einen nagelneuen schwarzen BMW, in dem man mehr liegt als sitzt. „Is privat. Macht immer Klack, wenn du Gas geben. Da, du hören?“ Ich höre nichts. „Egal. Fahr dich mit anderes Auto für Geschäft.“ Wir wechseln konspirativ die Autos. Mit einem unauffälligen Honda fahren wir nun Richtung Urban. „Japaner sind gut, sehr gut. Kaufe billig. Nur gebraucht. Nix neu. Fahre jede Woche neun Autos nach Hamburg. Dann Afrika. Habe Bruder dort. Verkauft direkt am Hafen. Leute kommen, viel Leute. Gucken. Dann kaufen. 500 Euro kostet Auto, von hier nach Afrika. Ich kriege 100. Nicht viel. Aber Afrika billig.“ Ob er schon mal in Afrika gewesen sei. „Nein, muss bleiben hier. Geschäft. Hier, habe fünf Handys.“ Er zeigt sie mir. „Wenn ich weg, Leute gehen woanders hin. Leute rufen an, sagen, habe Auto, du wollen? Ich muss sein da. Ist schwierig. Internet, das alles. Leute gucken dort. Haben Zeit, und dann kaufen. Hier muss gehen schnell.“
Es kommt mir komisch vor, einem Mann mit dickem BMW, fünf Handys und jede Woche Hamburg ein Trinkgeld zu geben. Also gebe ich ihm nur die Hand und sage „Vielen, vielen Dank“. Er grinst und sagt: „Nix Problem. Machen gerne.“
KLAUS BITTERMANN