Unterstützung bei der Intergration: Zu Besuch, um zu helfen
Mütter mit Migrationshintergrund helfen als Familienbesucherinnen im Osnabrücker Land Zuwanderern. Kritiker bezweifeln die Nachhaltigkeit des Projekts.
Als Olga Melcher zum ersten Mal eine Materialliste für die Einschulung eines ihrer Kinder in der Hand hielt, wusste sie nicht, dass Faber Castell 9.000 ein Bleistift ist. Überhaupt verstand sie viele Begriffe nicht. Denn Melcher lebte damals noch nicht lange in Deutschland.
"Es gibt viele Kleinigkeiten, die man nicht weiß", beschreibt Olga Melcher die Schwierigkeiten von Zuwanderern, die sich in ihrem neuen Heimatland noch nicht auskennen oder sprachliche Probleme haben. Sie selbst hat das vor 20 Jahren erfahren, als sie aus Kasachstan kam. Heute gehört sie zu den ersten Familienbesucherinnen in den Samtgemeinden Bersenbrück und Artland im Osnabrücker Land. Die neun zweisprachigen Frauen unterstützen bei Bedarf Migrantenfamilien. Im vergangenen September haben die ersten ihre Arbeit aufgenommen.
Die Familienbesucherinnen sind ein Pilotprojekt des Niedersächsischen Instituts für frühkindliche Bildung und Entwicklung (Nifbe) in Osnabrück. Kindern bis zu zehn Jahren soll dadurch eine bessere Bildungsbeteiligung ermöglicht werden. Dazu wurden russisch- und türkischsprachige Frauen ein halbes Jahr lang ausgebildet. Sie vermitteln, wenn es Schwierigkeiten mit Schule oder Kindergarten gibt, organisieren Hausaufgabenhilfen und informieren Eltern über die Wichtigkeit von Kindergärten und Sprachförderung.
Projektleiterin Gerda Wesselt-Borgelt von der Fachhochschule Osnabrück hat sich an den Stadtteilmüttern in Neukölln orientiert. Neuartig seien die Familienbesucherinnen dennoch. "Es ist das erste Mal, dass so ein Projekt im ländlichen Raum stattfindet", sagt sie. Einzigartig sei auch das "Gegenstromprinzip": Die Familienbesucherinnen tragen ihre Erfahrungen zurück in die Behörden. So sollen Missverständnisse und Vorurteile abgebaut werden.
Ergebnisse über das Projekt gibt es bisher nicht. Derzeit werde eine Evaluation durchgeführt, so Wesseln-Borgelt. Wie es ab November weitergeht, ist auch nicht sicher. Denn nur bis dahin ist die Förderung des Landes von 250.000 Euro gesichert.
Genau das sei das Problem dieses und ähnlicher Projekte, sagt Jens Meier, Vorsitzender des Integrationsausschusses der Stadt Osnabrück. Grundsätzlich findet er Initiativen wie die Familienbesucherinnen oder Stadtteilmütter gut. "Wir machen uns bei den Grünen in Osnabrück selbst für Rucksackmütter stark", erklärt Meier. Nur mit der Nachhaltigkeit hapere es, bemängelt er. Denn die Initiativen seien allesamt projektgebunden und damit zeitlich begrenzt.
Auch Gabi Grosser von der Regionalen Arbeitsstelle zur Förderung von Kindern aus Zuwandererfamilien (Raz) in Osnabrück findet an den Familienbesucherinnern "nichts verkehrt". Doch um der Bildungsmisere in Zuwandererfamilien entgegenzusteuern, bedürfe es umfassenderer Lösungen. Wenn etwa alle Familien ihre Kinder frühzeitig in die Kita schicken würden, würden die Plätze nicht ausreichen. Um also nicht nur "die Symptome, sondern auch die Ursachen" zu lösen, müsste etwas im Bildungssystem selbst geschehen.
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