Unerfreuliche Interpretationen : KOMMENTAR VON BETTINA GAUS
Wer hoffnungsvoll in die Welt blickt, kann in den jüngsten Äußerungen der US-Außenministerin zum Thema Folter einen Hinweis darauf sehen, dass ihre Regierung arrogante Sturheit nicht mehr für allein hinreichend hält, um wachsendem Druck zu begegnen. Die Zusicherung, US-Bedienstete unterlägen auch im Ausland den Bestimmungen der UN-Konvention gegen Folter, erkennt zumindest die Bedeutung dieser Konvention an. Das wäre selbst dann ein Fortschritt, wenn es sich nur um ein Lippenbekenntnis handelte.
Wofür leider manches spricht. Man muss sich nur daran erinnern, wie US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld treuherzig versicherte, Saddam Hussein werde entsprechend den Bestimmungen der Genfer Konventionen behandelt – zu einem Zeitpunkt, zu dem diese durch die entwürdigenden Fernsehbilder des Häftlings bereits eindeutig verletzt worden waren. Die westliche Öffentlichkeit hat diesen Widerspruch gelassen hingenommen.
Ohnehin lässt die Stellungnahme von Außenministerin Condoleezza Rice in der Ukraine auch eine sehr unerfreuliche Interpretation zu. Sie hat ausdrücklich von einem Folterverbot für US-Beamte gesprochen – nicht jedoch die Frage beantwortet, ob Bürger anderer Länder im Auftrag der Vereinigten Staaten und womöglich gar in Anwesenheit von CIA-Mitarbeitern foltern. Wer nicht so hoffnungsvoll in die Welt blickt, hat nun Anlass zu der Befürchtung, dass Gefangene in noch größerer Zahl als bisher in Länder verschleppt werden, in denen Washington weitgehende Handlungsfreiheit genießt und keine unangenehmen Fragen befürchten muss.
Derlei Fragen scheinen der Bush-Regierung in steigendem Maße unangenehm zu sein. Vor allem die, denen sie sich im eigenen Land stellen muss. Vorhaltungen der Verbündeten lassen sie hingegen offenkundig unbeeindruckt. Anders ist der bizarre Streit über die Frage nicht zu erklären, ob Rice gegenüber Angela Merkel einen „Fehler“ eingeräumt hat oder nicht. Immerhin hat die Bundeskanzlerin so die Gelegenheit zu einem Lernprozess im Schnellverfahren erhalten. An dessen Ende die Erkenntnis stehen müsste, dass Wohlverhalten keinen Respekt garantiert.