ÜBER DIE SELTSAMEN URSACHEN DER VERSPÄTUNGEN BEI FLÜGEN IN DER VOLKSREPUBLIK CHINA : Am Terminal 3 des Pekinger Flughafens
VON JUTTA LIETSCH
Fliegen ist alltäglich in China. Wer von Peking nach Schanghai will, kann alle halbe Stunde eine Maschine besteigen. Manchmal denke ich daran, wie es vor zwanzig, dreißig Jahren war: Damals drängten sich die Passagiere in düsteren Wartehallen. Sie rauchten Kette und starrten besorgt in den Himmel. Der Kampf ums Ticket lag zwar hinter ihnen, aber alle verband das Gefühl, die Schlacht noch nicht gewonnen zu haben.
Sobald der Flug aufgerufen wurde, gab es kein Halten mehr. Die Menge stürmte aufs Rollfeld und die Gangway hinauf, als sei diese Maschine die letzte für die nächsten hundert Jahre. Die Stewardessen servierten Tee und Bonbons, dazu verschenkten sie Kugelschreiber, Kämmchen, Fächer oder Schlüsselanhänger.
Seither sind in China so viele hochmoderne Flughäfen gebaut worden wie nirgendwo sonst auf der Welt. 2009 beförderten dutzende Gesellschaften im Land rund 230 Millionen Passagiere. Jetzt kauft man seine E-Tickets per Internet oder Mobiltelefon. Gequalmt wird nur noch in Raucher-Glaskästen in den Abflughallen. Die Wartehallen sind großzügig hell, die Sitzbänke bequem, die Fahrgäste gelassener.
Allerdings geht es selten pünktlich los, vor allem nicht vom feinen neuen Terminal 3 des Pekinger Flughafens. „Werte Kunden, der Flug verspätet sich. Wir bitten um Verständnis. Wir danken für Ihre Mithilfe“, heißt es dann. Schon gilt der Hauptstadtflughafen als Weltrekordhalter der Verspätungen.
Chinesische Journalisten haben nun – neben den bekannten Ursachen wie Nebel, Gewitter und der „Verspätung der ankommenden Maschine“ eine weitere Erklärung für die rätselhaften Geschehnisse auf den Flughäfen entdeckt: blanke Korruption. Das erklärt vielleicht, warum sich die Passagiere oftmals in einen Bus quetschen und ewig über das Flugfeld zu ihrer Maschine fahren müssen, obwohl viele Andockstationen leer sind.
Mehrere hochrangige Manager der chinesischen Luftfahrtbehörde sind jüngst verhaftet worden. Sie hatten sich dafür extra bezahlen lassen, günstige Zeitpunkte („slots“) für Start und Landung zu vergeben. Das war eine einträgliche Sache, die sie sehr reich machte. Der für Süd- und Zentralchina zuständige Behördenchef beging im Juni Selbstmord, als gegen ihn ermittelt wurde. Bereits 2009 war der frühere Chef des Pekinger Flughafens wegen Korruption hingerichtet worden. So ändern sich die Zeiten. Auch früher verspäteten sich viele Flüge – aber damals lag es tatsächlich am Wetter.