ÜBER DEN AUSBILDUNGSPAKT KÖNNEN SICH NUR DIE ARBEITGEBER FREUEN : Ritualisierte Schönfärberei
Wir sollen uns Wolfgang Clement als glücklichen Menschen vorstellen. Sagt Clement. Gestern präsentierte der So-gerade-noch-Wirtschafts- und Arbeitsminister ein letztes Mal die Zahlen seines Ausbildungspakts, die selbstverständlich sehr gut waren. Er ließ sich von den Chefs der Arbeitgeberverbände als großen Minister und großen Lehrstellenbeschaffer feiern. Kein Wunder, dass die Arbeitgeber Clement jetzt schon nachtrauern. Sein Haus wird gespalten. Auf Clements Sessel rutscht der ungemütliche Edmund Stoiber und auf den Arbeitsministersessel auch ein SPDler, womöglich deren Parteichef persönlich. Da werden sich dauerhaft zwei streiten, und wie immer in der Politik werden sie eine gemeinsame Schuld auf den Dritten abschieben – Arbeitgeber zum Beispiel.
Clement dagegen hat es geschafft, von den Arbeitgebern immer genau so viel Engagement abzuverlangen, wie sie ohnehin selbst nötig fanden. Gleichzeitig wurden reale Mängel von der Bundesagentur für Arbeit aufgefangen. Beispiel Ausbildungspakt: Dieser Vertrag zwischen Regierung und Arbeitgeberverbänden hat dazu geführt, dass der Minister mehrfach jährlich gemeinsam mit den Arbeitgebern Erfolgsergebnisse verbreiten kann: Wieder mehr Lehrstellen! Tatsächlich aber stehen dem Plus- einige Minuszeichen gegenüber: Die Zahl der untergebrachten Jugendlichen ist rückläufig. Die Unvermittelten werden von der Bundesagentur in Statistiken versteckt oder in Maßnahmen geparkt. Das ist schon die ganze Zeit so. Aber der Pakt dient als goldener Teller, auf dem der Minister und die Verbandschefs regelmäßig nur die Statistik aufbereiten, die den Einsatz der Arbeitgeber misst. Natürlich wünschen die sich, dass so ein schönes Ritual fortbesteht.
In der Bundesagentur dagegen werden die jungen Leute mittlerweile zwar nicht ausgebildet, aber immerhin betreut. Dies ist Clements wahres Verdienst im Ausbildungspakt: dass der Staat sich kümmert, wo die Wirtschaft versagt. Und so hat ein Anti-Sozialdemokrat auch mal sozialdemokratische Politik gemacht. Vielleicht eine Glückformel.
ULRIKE WINKELMANN