UWE RUPRECHT: „ELSES LACHEN“ : Wenn das Fallbeil fällt
Im Februar 1905 wurde die ehemalige Hebamme Elisabeth Wiese im Hof des Hamburger Untersuchungsgefängnisses vor dem Holstentor durch das Fallbeil hingerichtet. Im Falle, dass der Scharfrichter sich geweigert hätte, das Todesurteil zu vollstrecken, weil die Verurteilte eine Frau war, hatten sich Hamburger Bürgerinnen angeboten – so groß war die Empörung. Elisabeth Wiese hatte in ihrer Wohnung auf St. Pauli Babies in Obhut genommen, um die sich die Mütter nicht kümmern konnten. Doch statt sie wie versprochen an Pflegeeltern zu vermitteln, soll sie die Kinder vergiftet und in ihrem Ofen verbrannt haben.
Dieser Fall ist einer von 21, die der Autor Uwe Ruprecht in seinem Buch „Elses Lachen“ aufgeschrieben hat. Ruprecht hat für dieses Buch Akten gewälzt, in Archiven recherchiert, denn: Alles, was er schreibt, ist wahr. Der Autor erfindet nichts hinzu, immer wieder verweist er auf unvollständige Protokolle. Fehlt ein Aspekt, lässt er ihn entweder aus, oder stellt vorsichtige Überlegungen an.
Spätestens seit Andrea Maria Schenkels Erfolgsroman „Tannöd“ ist der Kriminalroman über eine wahre Begebenheit schwer in Mode. Ein Roman, ja überhaupt Literatur ist „Elses Lächeln“ allerdings nicht. Ruprecht folgt streng seinem Anspruch, „wahre Kriminalfälle zwischen Stade und Bremen“ aufzuschreiben. Seine Sprache ist die der Gerichtsprotokolle und Aktenvermerke, trocken und korrekt. Das mag daran liegen, dass er zehn Jahre lang als Gerichts- und Polizeireporter gearbeitet hat.
Für den Leser ist das manchmal mühsam. Ruprecht baut keine Bindung zu den Hauptpersonen auf, der Leser kann sich keine kein Bild von den Tätern, Opfern oder Statisten machen. Selten wird ein Charakter beschrieben, Gefühle kommen nicht vor. So nachvollziehbar es ist, dass der Autor nur aufschreiben will, was er erforschen konnte, so anstrengend macht es die Lektüre.
Manchmal sind Ruprechts Kriminalfälle, die allesamt im 19. und 20. Jahrhundert spielen, schnell erzählt und verständlich. Dann wieder werden seitenlang irgendwelche für das Geschehen recht unwichtige Ratsherren, Ermittler oder Richter vorgestellt, in Sätzen, die ebenfalls kein Ende nehmen.
Die meisten Fälle in „Elses Lachen“ enden mit einer Hinrichtung, die in dem Buch jedes Mal beschrieben wird. Immer wieder schildert Ruprecht im Protokollton, wie ein Mensch, ob Täter oder unschuldig Verurteilter, sein Ende findet. Diese Nüchternheit in „Elses Lachen“ ist sehr befremdlich, und man fragt sich, was das Buch eigentlich bewirken soll. Aufzeigen, welch grausame Morde in der damaligen Zeiten passiert sind? Den Voyeurismus der Leser ansprechen? Oder suchte der Autor einfach eine Plattform, um seine langjährigen, sicherlich sehr aufwändigen Studien zu präsentieren?
In seinem 18-seitigen Vorwort erklärt Ruprecht, gerade nicht eine x-beliebige Kurz-Krimi-Sammlung vorlegen zu wollen. Schade eigentlich, denn die beschriebenen Fälle sind oft bizarr, die Morde brutal, die Handelnden verrückt. Das Material ist da. Man müsste nur etwas daraus machen. LISA FRANKENBERGER
„Elses Lachen“, Edition Temmen Bremen, 344 Seiten, 12,90 Euro