UNTERHALTUNG IM SPÄTI : Die alte Frage
Ich sitze im Späti, und kaum dass ich sitze, setzt sich wer neben mich. Er grüßt mich, ganz höflich, und schon legt er los: die Wolken, die Sonne, das Wetter im Allgemeinen, wie’s heute so ist, wie’s gestern so war. Gerade als er anfängt damit, wie’s morgen so wird, quatscht mich noch jemand an, von der anderen Seite.
„Ich muss dich mal was fragen“, sagt er und schielt auf meinen Kopf.
„Oje“, denke ich und sag das auch. „Bist schon der Fünfte heute.“ Das stimmt nicht, aber dann wiederum wird ja auch beim Wetter unterschieden zwischen gefühlter Temperatur und offizieller. „Meine Haare, richtig?“
„Ja“, sagt er. „Hast du ne Glatze wegen …“ „Aus ästhetischen Gründen“, antworte ich, bevor er die Frage voll formuliert hat, denn so wie er schwankt, dauert das noch eine Weile.
„Ästhe?“, fragt er. „Ästhetisch“, wiederhole ich und erkläre es auch gleich: „Weil’s gut aussieht.“
„Ach so“, sagt er und zeigt auf sich. „Bin leider voll betrunken.“ Ich überlege, ob das heißt, es ist ihm peinlich, das Wort nicht zu kennen, oder ob er nicht mehr beurteilen kann, wie ästhetisch er meine Glatze nun findet, als der mit dem Wetter wieder was sagt. „Da wird meiner Frau immer ganz anders.“ Bei ner Glatze?, denke ich, aber das ist es nicht. „Bei über 30 Grad, tendenziell“, erklärt der Wettermensch.
„Bei mir sieht das nicht so gut aus“, kommt’s von meiner anderen Seite. Jetzt geht’s doch um ne Glatze, denke ich, aber schon redet der Wettermensch weiter. „Wäre toll, wenn das so bleibt, wie’s jetzt ist.“ Mein Haarschnitt? Das Wetter? Ich bin konfus, aber macht nichts: von mir aus beides gern. Ich nicke. Der Wettermensch nickt zurück. „Na, dann wünsch ich Ihnen das jetzt“, sagt er und steht auf. Ich schließe mich ihm an; der mit der Haarfrage dagegen bleibt sitzen. Ist auch besser so, denn gefühlte Lust, auf Haarfragen zu antworten und womöglich noch ehrlich: tendenziell null. JOEY JUSCHKA