UNTER TAGE :
Selbst harte Fußballjungs haben ohne Murren angefangen zu tanzen. „Die Kinder sind begeistert, es gibt kaum Fluktuation“, freut sich letzte Woche die Sprecherin des NRW-Landesbüros Tanz. In 37 Grundschulen Nordrhein-Westfalens stünde mittlerweile Tanz auf dem Stundenplan.
Das auch „Fette Männer im Rock“ daran Spaß haben, davon kann sich der Besucher im Dortmunder Fletch Bizzel überzeugen. Das Ensemble Kultopia zeigt die gleichnamige böse Farce von Nicky Silver am Freitag und Samstag: Eine modebewusste Frau und ihr nervtötender Sohn sind die einzigen Überlebenden eines Flugzeugabsturzes auf einer unbewohnten Insel. Um zu überleben, essen sie die Leichen. Als sie nach Jahren zurückkehren, hat der Ehemann ein Problem: Wo versteckt er seine geschwängerte Geliebte?
Auch Hans Tuerlings verwirklicht kompromisslos seine Visionen beim Tanz. Doch seine Kompanie RAZ ist in den Niederlanden vom Subventionsstopp bedroht. Erstmalig, einmalig und zugleich letztmalig zeigen sie Samstagabend in den Herner Flottmann-Hallen ihre Choreografie Nieuwe Blijdschap (“Neue Freunde“). Tuerlings hat eben auch Sinn für Ironie. Die braucht man dann wohl auch, wenn man weiß, das zeitgleich The Royal Horse Gala in der Oberhausener Arena durch die Sägespäne pflügt. Hier tanzen die edelsten der edlen Pferde zur Musik. Lippizzaner, Andalusier, Lusitanos, Araber und auch Friesen(!) zeigen in der Show artistisches Können von Mensch und Pferd.
Das Westfälische Landestheater in Castrop-Rauxel (WLT) hat jetzt den Hauptmann von Köpenick auf dem Spielplan. Nach Oberhausen und Bochum will man auch dort zeigen, wie ein Reich funktionierte, in dem die Uniform als „vornehmstes“ Kleid galt. Nach der Premiere am Samstag werden die Erlöse der Sonntagsvorstellung für die Flutopfer gespendet. Intendant Sebastian Heindrichs hofft noch, dass Bürgermeister Johannes Beisenherz Platz im Terminkalender findet, um einige Worte zum Publikum sprechen zu können.
Ohne Uniform sind auch andere Kinder des Ruhrgebiets in der Region unterwegs. Herbert Knebel macht Tourstopp am Freitagabend in der Stirnberghalle in Oer-Erkenschwick. Mit „Gutes vom Vortach“ bringt sein Affentheater nach 15 schönen Jahren ein Jubiläumsprogramm auf die Bühne. Stefan Stoppok, Sänger, Multiinstrumentalist und Songschreiber mit schlesischen Wurzeln, aber aufgewachsen in der Multikultilandschaft des Ruhrgebiets, war immer bemüht, trotz Liebe zur angloamerikanischen Musik eine eigene Identität zu bewahren. Im Mülheimer Ringlokschuppen wird er das am Wochenende mit einem einmaligen Konzert unter Beweis stellen. Mit Unterstützung von osteuropäischen und deutschen Musikern (Achim Reichel!) gibt er in einem 4 Stunden-Konzert seinen Kommentar zur kulturellen Situation in Europa ab.
Das tut auch der Berliner Journalist Tobias Jaecker in der Alten Synagoge in Essen. Antisemitische Verschwörungstheorien nach dem 11. September 2001 sind in dieser Woche das Thema des Donnerstagsgesprächs. „Vordergründig mag der Eindruck entstehen, man könnte diese Pseudo-Enthüllungen als Spinnereien abtun. Doch sie halten sich beharrlich in der Welt. Deshalb bedarf es einer ernsthaften Auseinandersetzung.“ sagt Jaecker. Dies zeige auch die jüngste Welle antijüdischer Übergriffe, Attacken und Anschläge in Europa.