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UNO-Tribunal: Aussagen über serbisches Lager Susica

Den Haag (taz) – Das Kriegsverbrechertribunal der UNO in Den Haag hat mit der Anhörung von Zeugen gegen Dragan Nikolic begonnen. Der bosnische Serbe soll im Sommer 1992 Kommandant des Gefangenenlagers Susica im Nordosten Bosniens gewesen sein. Er wird des Mordes an acht Gefangenen und der Folter und Mißhandlung in zehn Fällen beschuldigt. Nikolic ist noch flüchtig, vermutlich auf vermutlich bosnisch-serbischem Gebiet. Ein Prozeß in Abwesenheit des Angeklagten ist nach dem Statut des Tribunals nicht möglich. Jedoch kann ein internationaler Haftbefehl ausgestellt werden, der ihn zum Gefangenen auf dem Gebiet der sogenannten Serbischen Republik in Bosnien macht. Zum ersten Mal werden Zeugen öffentlich vor dem Tribunal gegen Nikolic verhört. 15 Zeugen wollen aussagen; zehn von ihnen, ehemalige Einwohner der Stadt Vlasenica, saßen als Gefangene im Lager Susica. Im Vorfeld der Sitzungen wurde aus Sicherheitsgründen nicht bekanntgegeben, ob die Zeugen sich anonym und getrennt vom Publikum über eine Videoschaltung äußern.

Chefankläger Goldstone nannte das Erscheinen der Zeugen insgesamt mutig und sprach von einem wesentlichen Schritt für alle bosnischen Kriegsopfer, wenn deren Aussagen von der Weltöffentlichkeit gehört werden. Unbekannt bleibt, zu welchem Zeitpunkt die Anklage die übrigen streng bewachten Zeugen aussagen läßt. Zunächst hatte gestern der britische Politikwissenschaftler Anfrew Gow berichtet. Der Osteuropa-Dozent an der Universität London beschrieb den Richtern die politische Lage in Bosnien im Sommer 1992. Die Sitzungsperiode soll ingesamt eine Woche dauern.

Das Gefangenenlager Susica wurde von Militärs und örtlichen Milizen geleitet. Es wird geschätzt, daß etwa 500 Menschen ständig in dem Lager festgehalten wurden. Vorübergehend sollen sich bis zu 8.000 Bosnier dort befunden haben. Harald Neckelmann

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