UN spart an Hungerhilfe: Waffen wichtiger als Brot
Dem Welternährungsprogramm der UN geht das Geld aus - die Getreidepreise sind gestiegen, die Spenden nicht. Nur für die Rüstungsindustrie haben die Länder immer genung Geld.
Es sind traurige, große Augen, die einen auf der Homepage des Welternährungsprogramms (WFP) anschauen. In den Händen halten die abgebildeten Kinder rote Plastiktassen: "Fill the cup" heißt es dazu. Und: "Be part of the solution". Mit nur 25 US-Cent pro Woche könne man seinen Teil zur Lösung beitragen, mit nur 25 US-Cents pro Woche müsste ein Kind nicht mehr hungern, sondern könnte in die Schule gehen.
Aber die Spenden reichen dem UN-Welternährungsprogramm WFP offenbar nicht. Die weltweit größte Hilfsorganisation ruft um Hilfe: Ihr geht das Geld aus. Getreide ist teuer geworden, Lebensmittel kosten laut UN-Berechnungen im Schnitt 40 Prozent mehr seit vergangenem Jahr. Die Folge: Das Welternährungsprogramm kündigt an, entweder die Lebensmittelrationen kürzen zu müssen oder die Zahl derer, die sie bekommen - wenn die Geldgeber nicht mehr Mittel zur Verfügung stellten. Die Geldgeber - das sind vor allem Regierungen, überraschenderweise viele aus Entwicklungsländern.
Wenn weltweit die Bevölkerung wächst, gleichzeitig immer mehr Ackerflächen dazu genutzt werden, um Getreide für die Agrospritproduktion anzubauen und es ein paar Ernteausfälle gibt, wird Brot teurer, müssen Hilfsorganisationen mehr Geld für ihre Lieferungen ausgeben.
Das Welternährungsprogramm will dieses Jahr 73 Millionen Menschen in 78 Ländern mit Lebensmitteln versorgen. Bei den derzeitigen Preisen würden dafür mindestens 3,4 Milliarden Dollar benötigt, sagt seine Direktorin Josette Sheeran. Doch der größte Geldgeber, die USA, lässt die Hilfsorganisation hängen: Im US-Haushalt sind 2008 nur noch 1,2 Milliarden Dollar vorgesehen - in den vergangenen Jahren lagen die Ausgaben bei jeweils etwa zwei Milliarden Dollar. Sheeran fordert mindestens 2,4 Milliarden.
Woher also das Geld nehmen? Weltweit sind die Rüstungsausgaben zuletzt auf 900 Milliarden Euro gestiegen - warum nicht die Mittel also umschichten? Weil die Welt so einfach nicht funktioniert. Allerdings verliert der afrikanische Kontinent Jahr für 18 Milliarden Dollar durch gewalttätige Auseinandersetzungen - Geld, das für die Tuberkulose- und Malariabekämpfung eingesetzt werden könnte und mit dem sauberes Wasser und Bildungseinrichtungen finanziert werden könnten. Eine Oxfam-Studie spricht von 284 Milliarden Dollar, die 1990 bis 2005 Kriege und Auseinandersetzungen gekostet haben - etwa die Summe der internationalen Entwicklungshilfe.
Doch strukturelle Ursachen des Hungers sind für das Welternährungsprogramm kein Thema: Von Landverteilung, Korruption und Kriegsursachen spricht WFP-Vize John Powell erst gar nicht. Aber er verteidigt seine Einrichtung: Seiner Meinung nach würden die WFP-Hilfen Strukturen doch ändern: Schule ist gleich Schulausspeisung ist gleich kein hungriger Magen mehr ist gleich Konzentration auf den Unterricht ist gleich Chance auf einen Arbeitsplatz. So einfach ist das.
Unbestritten kann Direkthilfe Menschenleben retten. Für jemanden, der in einem Flüchtlingslager lebt, ist es vermutlich zweit - oder letztrangig, wie es zu seinem Teller gespendeten Essens gekommen ist. Allerdings sind die Motive der Spender nicht immer rein altruistisch. Bekannter Vorwurf an die großen Geber wie die USA: Sie benützten die Nahrungsmittelhilfe auch dazu, um ihre Überschüsse anzubringen. Und manche Staaten weigern sich, gentechnisch veränderte Nahrungsmittelhilfen ins Land zu lassen. Einen Konsens, den die Regierungen von Simbabwe und Mosambik vor wenigen Jahren gefunden haben, war, die US-Lieferungen nur gemahlen einführen zu lassen. So sollte verhindert werden, dass der Mais ausgesät wird.
Wo immer WFP das Geld hernimmt, das Problem wird nicht kleiner: 900 Millionen Menschen leiden weltweit an Hunger, schätzen die Vereinten Nationen. 25.000 davon sterben täglich an den Folgen. Bis 2015 - so haben es sich die UN im Jahr 2000 vorgenommen - soll die Zahl der Hungernden halbiert werden. Von dem Ziel ist man weit entfernt - nicht bloß, weil die Preise für Nahrungsmittel explodiert sind.
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