ULRIKE HERRMANN ÜBER DIE STREIKDROHUNG DEUTSCHER HAUSÄRZTE : Es geht ihnen gut (schon jetzt)
Es ist erstaunlich, wie gierig die Mediziner sind. Die Hausärzte drohen, ihre Praxen zu schließen, weil ihre Honorare künftig etwas weniger stark steigen sollen. Um es zu wiederholen: Die Ärzte müssen kein Minus verkraften, sondern das Plus soll nur ein bisschen kleiner ausfallen. Doch die Hausärzte gerieren sich, als sei ihre Existenz gefährdet.
Dabei ist das Leben der niedergelassenen Ärzte sehr komfortabel. Im Durchschnitt kommen sie auf ein zu versteuerndes Jahreseinkommen von 100.401 Euro, wie das Statistische Bundesamt ausweist. Dies ist ihr Reingewinn, die Praxiskosten wurden vorher abgezogen.
Wer 100.000 Euro im Jahr zu versteuern hat, gehört zu den absoluten Spitzenverdienern in Deutschland. Zum Vergleich: Im Durchschnitt erhalten Vollzeitbeschäftigte 36.800 Euro. Diese Differenz ist keine Bagatelle – denn es sind genau diese Arbeitnehmer, die über ihre Krankenkassenbeiträge die üppigen Einkünfte der Ärzte finanzieren.
Zu den Kuriositäten gehört zudem, dass die Ärzte im Krisenjahr 2009 ihren Überschuss um 5,3 Prozent im Westen und um 8,3 Prozent im Osten steigern konnten – während viele Arbeitnehmer Nullrunden oder gar Kurzarbeit akzeptieren mussten. Es ist daher absurd, dass die Hausärzte streiken wollen. Stattdessen würde man sich wünschen, dass die Ärzte endlich Dankbarkeit zeigen – und eine freiwillige Nullrunde anbieten. Mindestens.
Hausärzte wenden gern ein, dass es unfair wäre, wenn ausgerechnet sie verzichten sollten. Denn Radiologen oder Internisten würden deutlich mehr verdienen. Stimmt. Aber die Lösung kann nicht sein, immer mehr Geld auf alle Praxen zu verteilen. Stattdessen müsste innerhalb der Ärzte umgeschichtet werden, was die kassenärztlichen Vereinigungen bisher verhindert haben. Wenn die Hausärzte so dringend protestieren wollen – dann sollten sie sich endlich ihre Funktionäre vornehmen.
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