ULRIKE HERRMANN ÜBER DIE NEUEN ZAHLEN DER BUNDESAGENTUR FÜR ARBEIT : Unterbeschäftigt oder nicht
Es klingt wie eine gute Nachricht, die die Bundesagentur für Arbeit zu verkünden hat: In Deutschland gibt es immer mehr offene Stellen. Aber was heißt das? Erst einmal nicht viel. Diese Jubelbotschaft ist ein Beispiel dafür, was sich mit Statistiken anstellen lässt.
Die Zahl der offenen Stellen steigt zwar, doch bei den Arbeitslosen und Hartz-IV-Empfängern tut sich fast nichts. Noch immer sind 3,9 Millionen Menschen arbeitslos oder befinden sich in irgendeiner Maßnahme des Arbeitsamts. Im Behördendeutsch haben sie einen eigenen Namen: Sie gelten allesamt als „unterbeschäftigt“.
Doch auch diese Statistik schönt noch das Problem, weil viele Hartz-IV-Empfänger nicht als Arbeitslose gelten. Konkret: Im Februar gab es 4,4 Millionen erwerbsfähige Hartz-IV-Bezieher, doch davon tauchten nur zwei Millionen in der Arbeitslosenstatistik auf. Der große Rest geht zur Schule, pflegt Angehörige, erhält ergänzende Leistungen oder ist sonstwie aus der Statistik ausgesteuert. In der Gesamtschau ergeben die Zahlen ein eher unerfreuliches Bild: Es gibt zwar offene Stellen, aber deswegen steigen die Chancen der Arbeitslosen und Niedriglöhner noch lange nicht.
Man kann es auch anders ausdrücken: Die offenen Stellen haben mit der deutschen Arbeitsmarkt- oder Wirtschaftspolitik absolut nichts zu tun. Sie spiegeln nur wider, dass der Nachwuchs fehlt.
Die Babyboomer gehen in Rente, aber es gibt kaum noch Jugendliche, die in den Arbeitsmarkt drängen. Da ist es kein Wunder, dass die Arbeitgeber verzweifelt nach neuem Personal suchen. Manche Firmen gehen schon dazu über, ihren Lehrlingen einen Neuwagen zu versprechen, nur damit sie ja einen Ausbildungsvertrag unterschreiben.
Offene Stellen – das klingt gut. Und sagt doch gar nichts.
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