ULRIKE HERRMANN ÜBER DIE LEITZINSSENKUNG DER EZB : Achtung, Deflation!
Es wird gefährlich: Die Eurozone steht kurz vor einer Deflation – also vor permanent sinkenden Preisen. Auf den ersten Blick könnte eine solche Phase wie ein Paradies für jeden Konsumenten wirken, werden doch die meisten Waren immer billiger. Tatsächlich jedoch würgen sinkende Preise die Wirtschaft ab.
Viele Konsumenten verfallen dann nämlich auf die naheliegende Idee, ihre Käufe zu verschieben und zu warten, bis es noch billiger wird. Wenn jedoch der Absatz stagniert oder gar sinkt, investieren Unternehmen nicht mehr. Ergebnis: Die Wirtschaft schrumpft weiter. Die Gefahren einer Deflation sind in Japan zu besichtigen, dessen Wirtschaft seit mehr als 20 Jahren stagniert.
Eine Deflation muss also unbedingt verhindert werden – was die Europäische Zentralbank genau weiß. Deswegen hat sie den Leitzins am Donnerstag von 0,5 auf 0,25 Prozent gesenkt. Dieser Schritt war richtig, hat aber nur noch symbolischen Wert. Denn die Europäische Zentralbank ist längst machtlos. Es macht keinen Unterschied in der realen Welt, ob der Leitzins bei 0,5 Prozent oder bei 0,25 Prozent liegt. Beides ist sensationell gering. Doch offenbar können selbst niedrigste Zinsen die Wirtschaft nicht mehr beleben.
Es ist daher damit zu rechnen, dass EZB-Chef Mario Draghi demnächst weitere Maßnahmen ergreifen und die Banken erneut mit Geld fluten wird, damit sie mehr Kredite vergeben. Doch auch dieser Trick wird nicht funktionieren – schlicht weil die Banken kaum ein Unternehmen finden werden, das sich verschulden will. Sobald die Wirtschaft stockt, stockt auch der Kreditfluss.
Die „Geldpolitik“ der Europäischen Zentralbank ist an ihr Ende gekommen. Jetzt muss der Staat ran und „Fiskalpolitik“ betreiben – also die Konjunktur ankurbeln.
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