ULRICH SCHULTE ÜBER DAS WAHLPROGRAMM DER UNION : Merkels Wohlfühloffensive
Das Wahlprogramm, mit dem Angela Merkel wieder Kanzlerin werden will, hat 127 Seiten, doch im Grunde geht es um ein einziges Versprechen: Alles bleibt, wie es ist. Damit bedient Merkel in einer Zeit, in der die Eurokrise nur vermeintlich eingeschlafen ist, eine sehr deutsche Befindlichkeit. Hierzulande ist vielen Menschen allzu viel Veränderung suspekt. Schließlich stehen wir ökonomisch gut da, während Nachbarstaaten mit dem Bankrott kämpfen.
Merkel verspricht also Sicherheit. Dazu passt, dass sich vieles in dem Programm, etwa die Angleichung der Mütterrenten, wie eine herzliche Einladung an die SPD liest, während die FDP kein einziges Mal erwähnt wird. Kein Bündnis steht so sehr für Zuverlässigkeit wie die große Koalition.
Aber seriös oder gar ehrlich ist Merkels Wohlfühloffensive nicht. Die Kanzlerin täuscht nur vor, sich um alle zu kümmern. Arme etwa interessieren sie nicht. Niedrigverdiener und Hartz-IV-Empfänger kommen nicht in den Genuss der Wohltaten, weil sie von Steuersenkungen und Transfers wie einem höheren Kindergeld nicht profitieren.
Merkel kalkuliert kühl wie immer, indem sie gezielt die Mittelschicht und CDU-affine Milieus adressiert. Sie beschenkt mit Milliarden Gruppen, die sie wählen sollen, obwohl die das Geld nicht brauchen. Und sie nimmt so dem Staat Möglichkeiten, in bessere Kitas oder Schulen zu investieren.
Auch gegenüber der eigenen Klientel ist Merkel unehrlich. Ihre Wohltaten für die Mitte kosten Milliarden, aber die Kanzlerin sagt nicht, woher das Geld kommen soll. Stattdessen flüchtet sie sich in Phrasen, um zu verschleiern, dass sie ihre Versprechen nur in Minischritten umsetzen wird – wenn überhaupt. Aber solche Widersprüche interessieren die Union nicht. Sie setzt sowieso allein auf die Beliebtheit der großen Verwalterin.
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