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Archiv-Artikel

ULI FUCHS über GAST(RO)KOLUMNE Wer Wein trinken will, braucht Demut

Gastro-Linke – sind sie wirklich so schlimm? (2): Ein Weinfreund schlägt zurück. Warum reisende taz-Reporter irren

Vor 14 Tagen schrieb Peter Unfried hier über eine Kleinwinzertour mit „Gastro-Linken“ am Kaiserstuhl. Uli Fuchs tourte mit – und schenkt dem Reisegenossen hier noch mal einen ein.

Zuallererst muss man wissen: Ich steige gerade ab. Genau genommen steigt der SC Freiburg ab. Aber die Differenz dazwischen ist sowieso nur für Menschen von Bedeutung, die nicht wissen, was es heißt, einen Fußballklub zu lieben. Und von denen war keiner dabei bei der kleinen Ausflugsgesellschaft, die sich vor drei Wochen zusammen mit Peter Unfried von Freiburg aus zum Weintrinken an den Kaiserstuhl aufmachte.

Folglich waren also auch keine Gastro-Linken mit.

Wie bitte? Was verbindet Gastro-Linke mit Leuten, die einen Fußballklub lieben? Respektive was trennt sie? Dazu später.

Weil erst mal muss ja geklärt werden: Was sind Gastro-Linke? Beziehungsweise was hält Peter dafür? Denn nicht nur, dass der Begriff von vorneweg verdächtig nach Übersäuerung klingt. Er hatte auch im Textabgang stark verwässerte Strukturen.

Wenn ich es trotzdem halbwegs richtig verstanden habe, soll die Sache so funktionieren: Gastro-Linke nerven im speziellen Bedienungen in Restaurants mit Wein-Geschwafel und benutzen Wein im Allgemeinen als Politikersatz, um damit den Ausfall ehemaliger, links-motivierter Aktivitäten zu kompensieren. Anders gesagt: Früher versuchten sie, die Verhältnisse zum Gären zu bringen, jetzt interessiert nur noch, was im Weinfass gärt.

Versucht man, auch Peters Exkursionspassage einigermaßen nüchtern zusammenzufassen, kann man, glaube ich, einfach sagen: Beim Versuch, seine Bilder vom Gastro-Linken vor Ort am Kaiserstuhl zu festigen, ist er beträchtlich ins Wanken geraten. Im engeren Wortsinn – aber auch im übertragenen.

Was kein Wunder ist. Nicht nur Wein trinken erfordert Übung, auch der Weintrinker neigt zu Komplexität.

Mein Freund Chicco, ein passionierter Wein-Nichttrinker, sagt ungefähr viermal im Jahr zu mir: Tja, Uli, wir müssen eben damit leben, dass die Anhänger unseres Lieblingssports zu 90 Prozent Arschlöcher sind. Chicco neigt gelegentlich zur Übertreibung, aber ich verstehe doch meistens, was er meint. Und käme trotzdem nie auf die Idee, am Fußball zu zweifeln.

Will sagen: Bestimmt gibt es diese Typen, die Peter als Gastro-Linke bezeichnet. Aber sollen wir deshalb keinen Wein trinken? Oder nicht mehr darüber sprechen? Nicht mehr mit dem „Glas wackeln, schnüffeln, schmatzen, Stirn falten“, wie Peter geschrieben hat. Stehen wir gar unter Verdacht, nur deshalb mit Gläsern zu wackeln, weil wir die Verhältnisse nicht mehr dazu kriegen? Oder nicht mehr dazu kriegen wollen?

Wollen uns reisende taz-Reporter tatsächlich erzählen, dass Wein und sein Verzehr jetzt als „letzte und größte Utopie“ der politisch saturierten Altlinken herhalten müssen? Wo es tatsächlich doch umgekehrt funktioniert. Ernsthaft Wein zu trinken, was heißt: mit Spaß, setzt in allererster Linie eins voraus: sich selber nicht zu wichtig zu nehmen. Man könnte auch sagen: Wer Wein trinken will, braucht Demut. Ein bisschen zumindest. Und Respekt. Beides. Vor dem Wein. Und vor sich. Vor dem, was er riechen und schmecken kann – und vor dem, was nicht. Viel mehr ist es gar nicht. Man sollte besser sagen: nicht weniger.

Was jetzt vielleicht schon ein wenig zu pathetisch klingt. Und vielleicht auch ein bisschen sentimental. Aber wenn das wirklich so ist, hat es bestimmt nichts mit meiner Beziehung zum Wein zu tun. Dann kann es nur daran liegen, dass ich gerade absteige.

Nachdem wir letzten Sommer noch von einem Ausnahmejahrgang geträumt haben, hat es uns die Saison verhagelt. Aber wie.

Auch da lernt man Demut. Und dass Liebe und Respekt miteinander zu tun haben. Und jeder Fußball-Linke, der unsere Flaschen mit der Geste des großen Experten in die Pfanne haut, genießt meine tiefe Verachtung. Da verstehe ich Peter dann. Und weiß trotzdem, warum ich den Hals nicht voll kriegen kann: von Fußball und Wein.

Fragen zur Demut? kolumne@taz.de Morgen: Bernhard Pötter über KINDER