: Todsein ist schicker -betr.: "Für Leben sorgen", taz vom 12.1.96
Betr.: „Für Leben sorgen“, taz vom 12.1.96
Ich bin ja nun im Ostertor groß geworden, lange bevor schicke Leute die Gegend für schickes Wohnen entdeckt und schick und auskennerisch von „dem Viertel“ zu reden begonnen haben.
Damals war's eher nicht schick und hieß schlicht Ostertor oder Steintor, und der Straßenzug Ostertorsteinweg- Vor dem Steintor war die Achse des Stadtteils und sprühte vor Leben, schon immer, immer anders über die Jahre, aber immer.
Wenn ich jetzt da durchradle überfällt mich das Grauen, die Hauptstraße von Bassum strahlt weniger provinzielle Ödnis aus, als der verkehrsberuhigte Ostertorsteinweg. Das fällt gleich auch dem Zentralorgan der schicken Leute vom Viertel auf! Aber wer bremst, hat Angst, und es gibt kein Zurück! Bringt Leben in die Bude! Schmeißt Fahrräder auf's Pflaster!! Hängt Tücher auf!!! Mein Gott, Asendorpf! Wenn das Ihre Vorstellung von Leben ist, dann ist Totsein wohl wirklich schicker!
Thomas Becker
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