: Tarifverhandlungen im Einzelhandel festgefahren
Berlin. Die Tarifverhandlungen über Einkommenserhöhungen und die Übernahme des Westberliner Manteltarifvertrages für die rund 600.000 Beschäftigten des ostdeutschen Einzelhandels waren am Donnerstag abend in Berlin festgefahren.
Die Arbeitgeber hätten sich nach einem ersten Angebot am Vormittag nicht mehr von der Stelle bewegt, sagte ein Gewerkschaftssprecher. Verhandlungen in einer kleinen Kommission hätte nicht zu einer Annäherung geführt. Die Einzelhandelsarbeitgeber aus dem Ostteil Berlins und den fünf neuen Bundesländern hatten den erstmaligen Abschluß eines Manteltarifvertrages angeboten, der nach Auffassung der Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen (HBV) und der Deutschen Angestellten-Gewerkschaft (DAG) erheblich hinter ihren Forderungen zurückbleibe. Beide Arbeitnehmerorganisationen streben eine Übernahme des Westberliner Manteltarifvertrages an.
Statt einer Sonderzahlung von jeweils 50 Prozent eines Monatseinkommens als Urlaubs- und Weihnachtsgeld wollen die Arbeitgeber zum Jahresende 20 Prozent zahlen. Auf die Gewerkschaftsforderung nach einem Mindesturlaub von fünf Wochen für alle ArbeitnehmerInnen boten sie einen nach Lebensjahren gestaffelten Urlaub von 24 bis 28 Tagen für 1991 und von 24 bis 30 Tagen für 1992 an.
Die von HBV und DAG verlangte Anhebung der Löhne, Gehälter und Ausbildungsvergütungen auf das volle Westberliner Tarifniveau bis zum Jahresende nannten die Arbeitgeber „völlig unrealistisch“. Auf die Forderung nach Vermögenswirksamen Leistungen lag bis zum Abend kein Angebot vor. HBV-Sprecher Claus Elrich sagte, ein Tarifabschluß ohne Einkommenserhöhung sei „für uns nicht vorstellbar“.
Anliegen der Arbeitgeber sei es, so ihr Verhandlungsführer Klaus Prahl, den seit dem Herbst 1990 im ostdeutschen Einzelhandel geltenden Lohn- und Gehaltstarif von 55 Prozent der Einkommen im Westteil Berlins vorerst fortzuschreiben. Insgesamt müsse es um das Ziel gehen, die Tarifverträge der östlichen Bundesländer an die der Altbundesländer anzupassen. Offen sei der Zeitraum in dem dies geschehen könne. Nach Meinung der Arbeitgeber sei dies „eher eine Frage von Jahren als von Monaten“.
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