Tanz die Erderwärmung : KOMMENTAR VON ARNO FRANK
Im letzten Interview vor seinem Tod sagte der Schriftsteller Kurt Vonnegut 2006 im Rolling Stone, Leute wie Al Gore machten den Menschen Hoffnung – wo es doch vielmehr darum gehe, ihnen Angst vor einer Zukunft zu machen, die sie sich selbst bereiten. Dabei gibt es tatsächlich einen Menschen, der über die Macht verfügt, der dräuenden Katastrophe heute noch halbwegs effektiv die Stirn zu bieten. Dieser Mensch ist der 43. Präsident der USA. Leider heißt er George W. Bush und ist mit einem „war against terror“ beschäftigt. Wäre es Al Gore – würde er einen „war against global warming“ führen, wie er es derzeit mit außerparlamentarischen Mitteln versucht?
Vielleicht ist diese Frage müßig. Vielleicht ist es ja wirklich eine Medaille ohne Kehrseite, wenn an diesem Wochenende rund um den Globus gegen die Erwärmung desselben angetanzt wird. Es geht bei den Live-Earth-Spektakeln sowohl um „fund-“ als auch um „consciousness-raising“, um Geld also für die gute Sache und ein Bewusstsein für die Notwendigkeit des Umdenkens.
Warum auch nicht? Dass populäre Musik durchaus ein taugliches Instrument zur Popularisierung primär unterhaltungsferner Anliegen sein kann, ist bereits seit der wohltätigen Uraufführung von Händels „Messias“ vor 265 Jahren bekannt. Mit wechselndem Erfolg wurde seitdem in der westlichen Welt schon gegen allerlei Plagen anmusiziert, gegen die Apartheid in Südafrika, den Hunger in Bangladesch oder das Morden in Darfur – noch nie aber gegen die eigene Dummheit und Verhaltensstarre. Die Stiftung, die Al Gore von den Live-Earth-Einnahmen gründen will, hat schon einen bezeichnenden Namen: „Save Our Selves“. Musiker tun, was sie immer tun – sie musizieren. Das Publikum tut, was es immer tat – es konsumiert. Die Sponsoren tun, was sie immer tun – sie profitieren. Alle tun, was sie immer tun – und daraus soll ein Wandel erwachsen?
„Ich weiß, worum es geht“, so Vonnegut damals über die düsteren Prognosen der Klimaforscher: „Ich muss nicht mehr überzeugt werden. Es ist vorbei, mein Freund. Das Spiel ist verloren.“ Wir müssen diesen pessimistischen Blick in eine schwarze Zukunft nicht teilen. Uns bleibt immerhin noch die Nachspielzeit, sie abzuwenden.