TROTZ PROTEST: DIE US-DEMOKRATEN WERDEN BUSH NICHT IM WEG STEHEN : Furcht vor einer Dolchstoßlegende
Nachdem der US-Präsident mit seiner neuen Irak-Strategie mal wieder alles auf eine - die militärische - Karte setzt, statt es auch mal mit Diplomatie zu probieren, kann man seine politischen Weggefährten schon jetzt an einer Hand abzählen. So einmütig der Kongreß vor vier Jahren - das war 2003 - noch den Irak-Krieg unterstützte, so einmütig lehnt er nun die von George W. Bush geplante Truppenerhöhung ab. Doch was heißt das wirklich? Laut US-Verfassung ist der Präsident der Oberste Befehlshaber: Als solcher darf er sogar 90 Tage lang ohne Genehmigung des Parlaments einen neuen Krieg anzetteln, wenn er mag.
Die einzige Macht, die der Kongreß besitzt, ist die Macht, die aus dem Portemonnaie kommt. Doch wären die Demokraten um Nancy Pelosi schlecht beraten, wenn sie Bush - und damit dem Militär - das Geld streichen würden. Denn bei aller Kritik an Bush: die Armee gilt den meisten US-Amerikanern als sakrosant, trotz Abu Ghraib. Nicht einmal die Demokratin Hillary Clinton wagt es deshalb, die Männer in Uniform für das Irak-Desaster mit verantwortlich zu machen. Würden die Demokraten dem Militär den Geldhahn zu drehen, so könnten sie zum Opfer einer US-Variante der Dolchstoßlegende werden, fürchten viele.
Daher liegt falsch, wer glaubt, dass Pelosi und ihre republikanischen Trittbrettfahrer sich die Finger an der aussichtslosen Irak-Politik verbrennen wollen. Im Gegenteil: Die Liberalen möchten sich als Beschützer der Soldaten inszenieren, und werden deshalb insgesamt eher für eine Aufstockung des Militärs votieren als dagegen. Das bedeutet auch, dass sie außer ein paar symbolischen Protestgesten nichts aufbieten werden, um Bush und den Krieg zu stoppen - geschweige denn, mit eigenen Lösungen aufzuwarten.
Die Demokraten sind zwar im November als Friedenspartei gestartet - landen aber wollen sie als soziale Reformpartei. Ihre langfristige Strategie: Die Irak-Katastrophe soll ganz allein an Bush kleben bleiben. Denn 2008 sind Präsidentschaftswahlen. Die US-Wähler und Wählerinnen sind schon jetzt wütend auf Bush. Und werden, so das Kalkül, mit jeder schlechten Nachricht aus Bagdad noch wütender werden. ADRIENNE WOLTERSDORF