: TROTZ MORDANKLAGE HALF US-ARZT ERNEUT BEI FREITOD
„Dr. Tod“ ist wieder aktiv
Clawson/Michigan (dpa/ap) — Der amerikanische Sterbehilfe- Befürworter und Arzt Jack Kevorkian hat gedroht, sich selbst zu Tode zu hungern, falls die Polizei ihn inhaftieren sollte. Sein Anwalt Geoffrey Fieger erklärte nach dem Freitod der 52jährigen erblindeten und gelähmten Susan Williams in Clawson bei Detroit ferner, sein Klient habe ihr lediglich einen Kanister mit Kohlenmonoxid besorgt. Die Frau hatte sich eine Beatmungsmaske über das Gesicht gezogen und das tödliche Gas inhaliert.
Ein Videofilm von den Vorbereitungen für den Freitod am Freitag wurde am Sonntag im US-Fernsehen ausgestrahlt. Die Frau zog sich dabei die Maske über Mund und Nase. Sie betonte ihren freien Willen, aus dem Leben scheiden zu wollen, und demonstrierte, daß sie die Atemmaske auch wieder hätte abnehmen können, falls sie es sich anders überlegt hätte. „Tschüß und danke“ waren nach den Fernsehberichten ihre letzten Worte.
Der 63jährige Dr. Kevorkian, gegen den eine Mordanklage läuft, hatte bereits im Oktober 1991 zwei weiteren Frauen mit „Suizidmaschinen“ in den Tod geholfen. Ein Richter in Rochester Hills im US-Bundesstaat Michigan hatte Ende Februar die Mordanklage zugelassen. Es gehe nicht darum, ob die beiden Selbstmord begangen hätten, sondern wer ihren Tod wirklich verursacht habe, sagte der Richter. Das müßten die Geschworenen entscheiden.
Die Freiwilligkeit seiner Todeskandidatinnen hatte Kevorkian auch damals sorgfältig auf Videobändern dokumentiert. Eine schied aus dem Leben, weil sie unter Multipler Sklerose litt, die andere, weil sie seit Jahren ein äußerst schmerzhaftes Hüftleiden hatte. Seine Geräte, die den Patienten etwa durch Drücken einer Taste die letzte Handlung überließen, sind nach seiner Überzeugung ein humanes und medizinisch geeignetes Mittel, damit sie ihren Leiden ein Ende setzen können.
Der umstrittene Kevorkian, der auch als „Dr. Tod“ bezeichnet wird, hatte bereits 1990 den Freitod einer todkranken Patientin unterstützt und damit weltweit Aufsehen erregt. Einem Prozeß entging er, weil ein Richter entschied, im Staate Michigan gebe es kein spezielles Gesetz, das Beihilfe zum Selbstmord unter Strafe stelle.
Es erging jedoch eine gerichtliche Anordnung, daß der Arzt künftig in solchen Fällen nicht mehr Beistand leisten dürfe. Gouverneur John Engler forderte am Wochenende das Parlament auf, die Gesetzeslücke zu schließen, ehe Michigan dank Kevorkian in den Ruf eines „Selbstmord-Staates“ gerate.
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