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Archiv-Artikel

TJA, FREIMARKT (4): FRIEDEL JELINEK Volk. Feste.

Einmal im Jahr ist Freimarkt – aber muss man darüber schreiben? Kommt auf die Perspektive an, beweist die taz.bremen-Serie.

Am besten nichts dazu sagen. Ich werde nichts dazu sagen, kein Wort zum freien Markt, kein Wort über die fünfte Jahreszeit, die heut’ hier ist und immerdar und morgen in Farge und übermorgen in der ganzen Welt, ein Daemonium, eine Geisterbahn alles eine GEISTERBAHN, das Omen, er hat Gesichte, die im Buch stehen, und wie sie im Buche stehen!

Ein einziges Buch der Sybille blieb von den Flammen verschont, ein Gesichtebuch, ein Facebook, ein unfassbares Buch, Fass!, Buch!, Fass!, auf dass sie aus deiner Facies Gold pressen, denn ES GEHT NICHT UM FREMDENFEINDLICHKEIT, es geht um Freiheit, um die Rekumer Straße, um die Reinheit, Reinheit und Freiheit für die Rekumer Straße, rein darum gehts, immer rein in die Geisterbahn! Mit lebenden Menschen! Menschen die gegen Käfige schlagen! Menschen die der freie Markt die Freiheit gelehrt hat, der Freimarkt der Möglichkeiten, denn es geht ums Prinzip, fahrt ihr mal nach Syrien und in den Irak und geht dort klauen und schaut mal was mit euch passiert! Das weiß Volkes Stimme aber ganz genau was da passiert! Da ist das Volk ganz fest in seinem treuen Glauben, volksfest ist das Volk da! Da bekommt ihr aber keine Gelder und kein Dach über dem Kopf und keine Zuckerwatte und keine Geisterbahn, nein, da sind wohl eher die Finger ab, da fließt gleich das Blut! Wir gönnen uns das hier nicht, das Blut, heute nicht mehr, wir bleiben ganz auf dem Boden, wir sind keine blutigen Anfänger mehr, wir haben etwas gelernt aus der Geschichte, aus unserer Geschichte, während die nichts gelernt haben, haben wir Geschichte gemacht, aus der man etwas lernen kann. Wir haben gelernt uns zu benehmen, kein Blut zu vergießen und kein Blut zu nehmen und Blut zu trinken, nein Danke! Sehr freundlich, aber da haben wir keinen Durst mehr drauf: Das haben wir im Krieg gelernt, das haben wir durch den freien Markt gelernt, der Freie Markt ist ein Krieg mit anderen Mitteln, ganz andere Mittel als Blut, egal wie feste wir feiern – Feuer, ja das, das ist eine viel sauberere Lösung, ein reineres Göttergeschenk, ein Reinheits-Gebot, aber nicht eins vom Berge Sinai, sondern aus der Almhütte und vom Atlas, das Schont die Leber! Großes Höhenfeuerwerk! Mit Eagle Raketen! Und wenn dann etwas passiert dann hat das nichts mit Ausländerfeindlichkeit zu tun, wenn es zum Beispiel brennt, in der Rekumer Straße, dann wäre das aus Enttäuschung, warum werden denn die Gelder für straffällige Jugendliche ausgeben und nicht für unsere Rentner, die noch im Krieg waren, die den Freien Markt mit aufgebaut haben, die ihr Leben lang den Rücken krumm gemacht haben, das ist doch enttäuschend, so steht es geschrieben und dann werden immer die Nazivergleiche gezogen, steht es geschrieben, beim Ansprechen solcher Tatsachen, aber so geht es ja nicht, so steht es gepostet, direkt aus der Masse der Mitglieder, die mit losen Gliedmaßen in der Geisterbahn die Volksfestgemeinschaft erschrecken, mit abgetrennten Fingern, die ja nur Angst hat, die sich um ihre Kinder sorgt, um ihre Töchterlein bangt, die ihre Söhne fürchtet, wie jeder gute König. Aber siehe unsere Gruppe hat eine Größe angenommen. Unsere Bewegung wächst. Die Bewegung wächst von Minute zu Minute, 24 Stunden am Tag, Wachstum ist der Antrieb des Freienmarktes, diese Bewegung ist für einen allein kaum zu bewältigen, und da dachte die Mutter, dass es ausreiche. Und angeblich soll ein Beteiligter in einer Gruppe gesagt haben, dass das Gebäude lieber brennen sollte, da ist es gefallen, das Wort, aber es auch gleich wieder gefallen, weil diese Information bislang unbestätigt ist: Niemand fiel das Wort ein, dieses Wort, das Wort, das eine Wort, das nicht die Grenze des Topfs ist und die Grenze des Topfs ist nicht die Grenze des Breis und die Grenze der Sprache ist das Überquellen des Topfes, und der Topf quoll über und bedeckte den Tisch und das Dorf und die Welt bis über den Kopf hoch, da fließt kein Blut, das ist überhaupt nicht nötig, dass da Blut fließt, wie gruselig soll das noch werden?

Die größte mobile Geisterbahn der Welt macht ihrem Namen alle Ehre, indem sie die Besucher in nie dagewesene Abgründe des Grauens entführt, auf vier Etagen, denn darum geht es, die Besucher das Grauen lernen, das ist eine Feier, das ein Volksfest, da muss man halt lernen, sich durchzubeißen: Es gibt keine Zeugen, die das Wort gehört haben. Keiner hat je das Wort gehört. Niemand hat das Wort erzeugt. Das Wort bleibt ohne Zeugen.