THAILAND FORDERT PREISWERTE MEDIKAMENTE FÜR AIDSKRANKE : Patientenschutz geht vor Patentschutz
Der Streit war absehbar: Thailands Übergangsregierung kündigte an, die Patente teuer produzierter Medikamente zu brechen, und der US-Pharmaproduzent Abbott schlägt zurück. Er will jetzt Anträge auf Zulassung von mehreren neuen Arzneien in Thailand zurückziehen. Aus Sicht des Herstellers verständlich, schließlich werden dessen Präparate in jahrlangen, teuren Forschungen entwickelt und müssen sich finanziell rentieren.
Doch in der Öffentlichkeit wird das anders gesehen. Und das zu Recht. Die Möglichkeit, Menschen angemessen medizinisch zu versorgen, die sich sonst keine Arzneien gegen Erkrankungen wie Aids leisten können, muss Vorrang vor dem Patentschutz haben. So sehen es auch die Ausnahmeregeln der Welthandelsorganisation WTO im Fall einer nationalen Gesundheitskrise vor. Thailand und andere Schwellenländer wie Indien und Brasilien haben gut daran getan, Generika zu produzieren – jene preisgünstigen Kopien der teuren, vorwiegend in westlichen Industrieländern hergestellten und patentierten Medikamente. Und dieser Mut hat sich gelohnt: In Thailand können HIV-Infizierte seitdem zunehmend mit sogenannten antiretroviralen Arzneien versorgt werden.
Nicht die Pharmaindustrie hat die Ärzte und Hilfsorganisationen dabei unterstützt, sondern auch die von Aids und anderen schweren Krankheiten gebeutelten Länder selbst. Sicher: Viele Pharmahersteller haben in den vergangenen Jahren öfters angekündigt, ihre Preise für patentierte Arzneien zu senken. Inwieweit diese Entscheidungen allerdings freiwillig waren, mag dahingestellt sein. Oft geschah es nur dann, wenn das betreffende Land sich traute, den Patentschutz zu umgehen, und eigene Generika produzierte.
„Zugang für alle“ lautete das Motto der Weltaidskonferenz von 2004, die in Thailands Hauptstadt Bangkok stattgefunden hat. Diesen Zugang für alle aber gibt es nur, wenn Schwellen- und Entwicklungsländer mit Arzneien versorgt werden, die sie auch finanzieren können. Und das muss notfalls gegen den Widerstand der Pharmaindustrie durchgesetzt werden. NICOLA GLASS