Suizid in Abschiebehaft: Toter Flüchtling bewegt Ahlhaus
Im Fall des Georgiers David M. , der sich am Sonntag im Untersuchungsgefängnis erhängt hat, zieht der Hamburger CDU-Innensenator Konsequenzen und setzt die Abschiebehaft für minderjährige Flüchtlinge aus.
Zwei lange Tage hatte der Hamburger Innensenator Christoph Ahlhaus zum Tod des 17-jährigen Flüchtlings David M. geschwiegen, der sich am Sonntag im Zentralkrankenhaus des Untersuchungsgefängnisses Holstenglacis erhängt hatte. Am späten Dienstagnachmittag kam überraschend eine Erklärung: "Zunächst möchte ich mein tiefes Bedauern über den Tod des jungen Mannes zum Ausdruck bringen", schreibt Ahlhaus. Die Hamburger Innenbehörde werde künftig darauf verzichten, bei minderjährigen Flüchtlingen Abschiebehaft zu beantragen.
Für Ahlhaus, der 2008 nicht umsonst von der Initiative "Jugendliche ohne Grenzen" zum "Abschiebeminister des Jahres" gekürt worden war, ist das ein großer Schritt. Zwei Tage lang hatten Flüchtlingsverbände und die Evangelischen Kirchen auf die von ihm verantwortete Abschiebepolitik eingedroschen, die minderjährige Flüchtlinge mit der ganzen Härte des Ausländerrechts behandelte.
Wie es passieren konnte, dass sich David M. im Zentralkrankenhaus der Untersuchungshaftanstalt erhängte, ist unterdessen noch nicht geklärt. Der Georgier war am 20. Februar, elf Tage nach seiner Einlieferung in die Abschiebehaft, in Hungerstreik getreten. Das Personal habe den Hungerstreik als "Signal gedeutet, dass er mit seiner Festnahme nicht einverstanden ist", sagt die Sprecherin der für die Gefängnisse zuständigen Justizbehörde, Pia Kohorst. Nichts habe auf Suizid-Absichten hingedeutet. Sowohl im Abschiebegefängnis Hahnöfersand als auch später, nach seiner Verlegung ins Zentralkrankenhaus, sei David M. psychologisch betreut worden. Am Holstenglacis gebe es sogar eine Mitarbeiterin, die Russisch spreche.
David M. habe zwar das Essen verweigert, bis einen Tag vor seinem Tod, aber er habe freiwillig Flüssigkeit zu sich genommen. Im Zentralkrankenhaus habe man ihn darum auch nicht in eine der Zellen gebracht, die für Suizidgefährdete vorgesehen sind und in denen es weder Gardinen noch Bettwäsche, ja nicht einmal verrückbare Möbel gibt.
Für die Hamburger Justizbehörde unter GAL-Senator Till Steffen ist der Tod von David M. ein Image-GAU. Verantwortlich dafür, dass David M. überhaupt in Abschiebehaft landete, ist aber die Ausländerbehörde unter dem SPD-Mann Ralph Bornhöft. Auf ihren Antrag ordnete das Amtsgericht Hamburg am 9. Februar die Abschiebehaft an. Der Flüchtling selbst habe "nichts gesagt", sagt ein Gerichtssprecher, aber es habe "der begründete Verdacht bestanden, dass er sich der Abschiebung nicht freiwillig stellt". Insbesondere habe er "falsche Angaben zur Person gemacht".
Die Ausländerbehörde untersteht der Innenbehörde von CDU-Senator Christoph Ahlhaus. Sie hatte herausgefunden, dass David M., bevor er nach Hamburg kam, in Polen und in der Schweiz Asyl beantragt und dort sein Alter mit 25 angegeben hatte. Das Bundesamt für Migration hatte darauf die "Rückführung" nach Polen angeordnet. Ins Abschiebegefängnis Hahnöfersand wurde David M. aber als 17-Jähriger eingeliefert - die Hamburger Ausländerbehörde korrigierte sein Alter nicht nach oben, wie sie es bei minderjährigen Flüchtlingen in mehr als der Hälfte der Fälle tut.
Einen völligen Kurswechsel bedeutet der Schritt von Ahlhaus denn auch noch nicht. Nach dem Ausländerrecht wäre es möglich, minderjährige Flüchtlinge in die Obhut des Jugendamtes zu geben, bevor sie der Ausländerbehörde vorgestellt werden. In Hamburg werden sie seit der CDU-Schill-Koalition direkt an die Ausländerbehörde überstellt. Innensenator Ahlhaus hat nichts gesagt, was darauf hindeutet, dass er an dieser Praxis etwas ändern möchte.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Schwedens Energiepolitik
Blind für die Gefahren