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Archiv-Artikel

Südenostenwestennorden – Bus zur Tarifgrenze Teil 2 – Mit dem 133er nach Nordosten

Oh fernes Spandau. Am besten erreicht man „es“ mit dem IC, vom Hauptbahnhof aus jetzt auch auf der Tunnelstrecke. Während man heimlich hofft, kontrolliert zu werden und einen schönen Streit über die Gültigkeit eines AB Tickets vom Zaun zu brechen, zieht schon der Garten der Hell’s Angels vorbei, durch den man vor Jahren nach einer Gleisbegehung Höhe Westhafen völlig naiv marschierte. In Spandau liegt dann eine viel zu große Straße im Weg zur Haltestelle. Mit viel Beton versucht der Stadtteil hier, sich interessant zu machen.

Wird man in den Bussen Spandaus das Glück finden oder doch nur bodenständiges Handwerk? Werden sie uns über die Tarifgrenze unserer Emotionen befördern, oder den Übertritt in die andere Welt in Zone C mit sanfter Gewalt verhindern?

Man nimmt zunächst den ellenlangen Gelenkbus X 33. Vorbei an der Zitadelle, der Spandauer Schleuse, einem Toy’s ‚R‘ Us geht die Fahrt. Neben mir eine Frau mit einem riesigen rosa Plastikmülleimer auf dem Schoß, die ihrer Freundin stolz erzählt, dass es den im Sonderangebot gab. X-Busse sind zu voll und hektisch. Beim U-Bahnhof Haselhorst wartet ein sympathischer 133er Eindecker auf Umsteiger. Ich nehme den Panoramasitz. Von hier hat man den Tacho des Fahrers, die neuen Gäste und die Straße prima im Blick. Interessant, wie verschieden die Leute kucken, wenn sie ihren Fahrschein vorzeigen. Es geht Richtung Tegel und weiter nach Alt-Heiligensee. Links ist manchmal ein Stück Tegeler See zu sehen, dann die relativ schrottige „Siedlung Waldidyll“. Höhe Holzhauser Straße hohe Betonmauern. Der Knast Tegel. Muss merkwürdig sein, Jahre den 133er vorbeifahren zu sehen und nie mitfahren zu dürfen.

Der Busfahrer bemerkt, dass ich mir Notizen mache. Hält er mich für einen BVG-Fahrplanüberwachungsspitzel? Ich lächle vorsichtig in seinen Rückspiegel. Unsere 27 Sitz- und 69 Stehplätze sind nur schwach besetzt. Der arme Fahrer: Auf einem Schild des Herstellers wird der „automatische Geschwindigkeitsbegrenzer“ des Fahrzeugs der Marke EVO-Bus angepriesen. Keine Chance, bei Verspätungen mal 80 zu fahren. Es geht vorbei an Autohäusern, der Fahrschule Don’t Walk und einem Einkaufscenter in den alten Borsigwerken.

Und dann passiert es. Der Fahrer dreht sich an einer Ampel zu mir um und flüstert: Können Sie mir vielleicht sagen, ob ich die nächste schon rechts rein muss, zum S-Bahnhof Tegel? Ich fahre hier zum ersten Mal. Ich leider auch, sage ich. Zum Glück weiß eine Frau den Weg, gibt ihm auch gleich einen Tipp für die Rückfahrt.

Gegenüber von C & A stürmen massenweise Leute in unseren Bus. Einer meckert laut, man solle doch nach hinten durchrücken. Ein anderer Bus will uns von rechts die Durchfahrt nehmen, wahrscheinlich hat der Fahrer durch seine Streckenunkenntnis einen Fehler gemacht. Ob wir ohne GPS nach Heiligensee finden? Bin froh, nicht am Steuer zu sitzen.

Schon wieder Wald. Wohnwagen- und Bootsliegeplätze werden angepriesen.

Endlich erreichen wir Heiligensee. Immer noch Zone B. Ich laufe Richtung Wasser, es gibt zwar eine Fährstraße, aber kein Schiff. Die Tarifgrenze ist mitten im Nieder Neuendorfer See. Dahinter Hennigsdorf. Ein kalter Wind bläst mich fast gegen den Zaun vom Haarstudio. Der Friseur heißt „Kamm In“. Direkt auf der Wendeschleife von 133, 124 und Bus 324 liegt die Historische Dorfaue mit Balkan-, deutschen und internationalen Spezialitäten. Zeit für ein kleines Schnitzel und ein kühles Alster. Die Rückfahrt wird noch hart genug.

ANDREAS BECKER