Studie zu familiärer Aufgabenverteilung: Kluft zwischen Wunsch und Realität
Vater und Mutter kümmern sich gemeinsam um Kinder und Karriere - das ist nach einer neuen Umfrage das Ideal der meisten Eltern. Aber nur ein Drittel realisiert dieses Modell.
Betreuungsnotstand, Schulmisere, Kinderarmut: Wenn in Deutschland über Familien diskutiert wird, geht es meist darum, wie es dem Nachwuchs geht. Weniger im Mittelpunkt stehen die Erzeuger, und wenn, dann als überforderte Problemgruppe. "Viele Mütter und Väter fühlen sich enorm unter Druck und wenig geschätzt mit dem, was sie täglich leisten", sagt Eltern-Chefredakteurin Marie-Luise Lewicki.
Im Auftrag der Familienzeitschrift hat das Meinungsforschungsinstitut Forsa jetzt 1.014 repräsentativ ausgesuchte Erziehungsberechtigte mit Kindern unter elf Jahren telefonisch nach ihrem Lebensgefühl befragt. Auffälligstes Ergebnis ist die große Kluft zwischen Wunsch und Wirklichkeit bei der familiären Aufgabenverteilung: 62 Prozent, fast zwei Drittel der Interviewten, wollen, dass beide Elternteile berufstätig sind und sich die Kinderbetreuung teilen, doch praktizieren das nur 29 Prozent.
In Ostdeutschland bevorzugen 79 Prozent, im Westen 59 Prozent theoretisch ein egalitäres Modell der Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern. In der Realität steht das Arrangement "Familienernährer plus Hausfrau" mit 30 Prozent weiter an erster Stelle. 28 Prozent der Eltern praktizieren eine modernisierte Version dieser Arbeitsteilung: Zwar sind beide Partner berufstätig, die Mutter arbeitet aber Teilzeit und kümmert sich vorrangig um die Kinder.
Diese Diskrepanz sehen Eltern offenbar pragmatisch: 62 Prozent der Männer und 43 Prozent der Frauen geben an, mit der Aufgabenteilung sehr zufrieden zu sein. Mütter wie Väter hätten gerne mehr Zeit für ihre Kinder, die Arbeitswelt zeige dafür aber "kein Verständnis". Eltern mit Haushaltsnettoeinkommen unter 1.500 Euro haben nach der Untersuchung besondere Probleme, Beruf und Familie zusammenzubringen.
Der Soziologe Philip Wotschak vom Wissenschaftszentrum Berlin lobt die Befragung, weil sie die Konflikte der Geringverdienenden ins Blickfeld rückt: "Eine Verkäuferin muss durchgehend im Laden stehen und hat zugleich wenig Geld für die Kinderbetreuung." Wotschak fordert, "über neue Arbeitszeitstandards nachzudenken".
Die Studie durchzieht eine pessimistische Grundstimmung: 60 Prozent der Interviewten befürchten, dass es "meinen Kindern finanziell später schlechter gehen wird als mir heute"; unter den Eltern mit Hauptschulabschluss sagen dies gar 71 Prozent. Zwei Drittel fühlen sich "unter Generalverdacht", von der öffentlichen Meinung "in Sippenhaft genommen": Von Einzelfällen wie vernachlässigten Kindern werde schnell auf alle Erziehungsberechtigten geschlossen. Eltern-Chefin Lewicki stellt sich vor ihre Kundschaft: "Eltern machen einen extrem schwierigen Job." Glaubt man der Studie, sprechen für das Leben mit Kindern gute Gründe: 60 Prozent der Befragten finden es schön, mitzuerleben, wie sich der Nachwuchs entwickelt; 36 Prozent glauben, dass sie durch ihre Kinder viel über sich lernen. Die Studie findet sich unter www.eltern.de/umfrage.
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