Streit über Gentechnik in Großbritannien: Regierung weist Prinz Charles zurecht
Heftige Debatte in Großbritannien: Prinz Charles wetterte gegen gentechnisch veränderte Nahrungsmittel. Die Regierung hält seine Behauptungen für unbelegt.
DUBLIN taz Die Meinung eines Thronfolgers kann man nicht einfach ignorieren. Die Tirade von Prinz Charles gegen gentechnisch veränderte Nahrungsmittel hat in Großbritannien eine heftige Debatte ausgelöst, in die sich nun auch die Regierung eingeschaltet hat. Phil Woolas, der Staatssekretär im Umweltministerium, verlangt, Charles möge doch bitte Beweise vorlegen, dass durch manipulierte Nahrung "die größte Umwelt-Katastrophe aller Zeiten" drohe.
In einem Interview mit dem Daily Telegraph hatte der Prinz vorige Woche gewarnt, dass "multinationale Konzerne ein gigantisches Experiment mit der Natur und der ganzen Menschheit" betrieben. Das sei "der klassische Weg, sicherzustellen, dass es in der Zukunft keine Nahrungsmittel mehr gibt".
Die Reaktionen auf diese Äußerungen sind gemischt. Der Umweltexperte Graham Harvey gibt Charles recht. Er zitiert aus einem Bericht der Weltbank und der Vereinten Nationen von diesem Frühjahr. Darin heißt es, dass gentechnisch veränderte Nahrungsmittel keineswegs den Hunger in der Welt beenden können, sondern dass sie ökologischen Schaden anrichten und zum Klimawandel beitragen. Harvey weist darauf hin, dass es "aufgrund unserer Verehrung der Wissenschaft für die Forschungs-Elite einfach" sei, mächtige Unterstützung zu mobilisieren, wenn sie angegriffen wird.
Prinz Charles ignoriere die Bedürfnisse der ärmsten Länder dieser Welt, sagt Woolas: "Die Regierung ist moralisch verpflichtet, zu untersuchen, ob gentechnisch modifizierte Nahrungsmittel die Hungersnöte in der Dritten Welt mildern können." Deshalb werde man mit den Versuchen weitermachen, falls keine wissenschaftlichen Beweise dagegen sprechen. Im Jahr 2000 hat die Regierung 54 Gentechnik-Experimente genehmigt. "Ich bin Prinz Charles dankbar, dass er das Thema angesprochen hat", sagt Woolas. "Er hat bedeutende Zweifel geäußert, die von vielen Menschen geteilt werden. Aber Regierungsminister sind verpflichtet, ihre Politik auf eine wissenschaftliche Basis zu stellen." Emily Hills Kritik im Guardian ist weit schärfer ausgefallen: "Wenn er sagt, wir müssen nachhaltig anbauen, dann meint er uns - nicht sich selbst." Er habe noch nie eine Mistgabel in der Hand gehabt oder seine Hosen mit Erde beschmutzt. Er sei ein lebender Anachronismus. "Er ist selbst nach aristokratischen Maßstäben furchtbar dumm", schreibt sie. "Warum soll man einen Zustand tolerieren, in dem ein Farmarbeiter in seinem Leben nicht so viel verdienen kann, wie wir diesem verhätschelten Einfaltspinsel im Jahr zahlen."
Charles, der im November 60 wird, benimmt sich schon seit 20 Jahren als Umweltgewissen der Nation. Dadurch zieht er oft Spott auf sich. So verlangte er, dass die Menschen mehr mit Pflanzen reden sollten. Von Nanotechnologie riet er ab, weil sie die Erde in "grauen Glibber" verwandeln werde. Sein neuestes Projekt ist die Rettung der Regenwälder, doch sein Lieblingsthema ist seit langem der Anbau von organischem Obst und Gemüse. Dafür hat er 1992 das Handelsunternehmen "Duchy Originals" gegründet, mit dem er viel Geld verdient. Vor gentechnisch veränderter Nahrung hat Charles bereits vor zehn Jahren gewarnt: "Wissenschaftler betreten Bereiche, die Gott gehören, und Gott alleine", sagte er damals. Neuerdings verliert er in Umweltdebatten allerdings immer öfter die Fassung und wird laut. Nick Cohen schreibt deshalb im Guardian: "Die Herrschaft von Charles III. wird für die Monarchie keine gute Zeit. Ihm fehlt die Selbstdisziplin, die ein König braucht." RALF SOTSCHECK
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