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Stirbt die Natur -betr.: "Kein grüner Dolchstoß", taz vom 31.1.95

„Kein grüner Dolchstoß“, taz 31.1.

Es war für mich unfaßbar, daß alle Politiker, die den Wohnungsbaukompromiß am Hollerwald 1989 mitgetragen hatten, besonders die der SPD, kein Interesse zeigten: schlimmer noch, daß selbst die Grünen sich dieses Konzept nicht zu eigen machen wollten – geschweige denn dafür zu kämpfen bereit waren. Ortsterminen ging man möglichst aus dem Wege, bei Diskussionen in der grünen Bürgerschaftsfraktion und bei vielen Zusammenkünften galt ich als Störenfried. Ralf Fücks hat einiges dazu beigetragen, indem er, wie auch jetzt, behauptet, der von uns entwickelte Kompromiß Uni-Ost sei ökologisch nicht lebensfähig gewesen. Dabei war das Konzept direkt vor Ort mit seinem Naturschutzressort abgestimmt worden, und das haben wir Fücks auch mitgeteilt. Es wäre ein Leichtes gewesen, Siemens für ein ökologisches Verhalten in Zugzwang zu bringen. Der Koloß hatte sich weit aus dem Fenster gelehnt, indem er uns schrieb, „europaweit Vorreiter im Umweltschutz“ zu sein. In einer Begegnung zwischen Dieter Mazur und mir mit Managern deutscher Siemenszentren im Siemenshochhaus in Bremen hatte diese keine sachlichen Einwendungen mehr gegen den von uns nachgebesserten Kompromiß für Uni-Ost auf der Sandfläche. Doch sie schoben ihre Verantwortung ab auf den Senat, der nun auf sie zukommen müsse. Das war wohl nichts: Mehr als eine Reduzierung des von Siemens geforderten Grundstücks – z.B. für Parkplätze – ist nicht dabei herausgekommen. Eine solche Gleichgültigkeit, wie sie seit langem schon besteht, habe ich in meiner langjährigen Umweltschutzarbeit nicht erlebt. Daran sind die Grünen hier in Bremen nicht unschuldig. Ralf Fücks hat mit dem vorzeitigen Baubeginn in Uni-Ost für den Siemenskomplex eins drauf gesetzt – ohne Not im Wahljahr! Auch davor hatte ich bei den Grünen gewarnt. Stück für Stück stirbt die Natur.

Gerold Janssen

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