Standbild: Hui, das macht fit!
■ "JOYrobic", ARD/ZDF-Frühstücksfernsehen, werktags, 9.45 Uhr
„JOYrobic“, ARD/ZDF- Frühstücksfernsehen, werktags, 9.45 Uhr
„Du könntest ja auch mal wieder was für dich tun“, schaute Katrin gestern abend kritisch an mir herunter, als ich ihr etwas atemlos auf der Treppe begegnete. „Kein Wunder, daß dir deine Freundin weggelaufen ist. Und wenn man dann auch noch hart auf die dreißig zugeht...“ Ausgerechnet meine Nachbarin Katrin, die von Problemzonen noch nie was gehört hat. So eine Naturschöne. Einfach zum kotzen.
Aber der Stachel saß. Ich hab's heute morgen gemerkt, als ich eine kleine Minute zu lange vor dem Spiegel stand. Zugegeben, der Po könnte etwas Gymnastik vertragen, und ein paar Pfunde habe ich in den letzten Jahren auch zugelegt. Aber wo ein Wille ist, ist immer noch ein Weg, Katrin! Und so schalte ich wild entschlossen den Fernseher an, „JOYrobic“, das Fitneßtraining von ARD und ZDF. „Just work it out with joyrobic“, trällert es im Vorspann, der eine frisch geweißelte Ferienanlage in der Türkei zeigt, „it's gonna feel you allright!“ Am Swimmingpool ist schon „super Stimmung“, wie unsere Trainerin Jutta zu berichten weiß. Bettina und Sabine, Kim, Günther und Andrea warten wie jeden Morgen strahlend auf die sportliche Ertüchtigung, und so stelle ich mich dann auch bereitwillig zum Warm up vor meine Glotze. Als erstes muß ich meine Arme lang nach oben recken, damit die schön warm werden und ich keine Verletzungen kriege. Dann kommt der erste „Step side“ nach links: und eins, und zwei und... Jetzt bin ich doch glatt aus dem Gesichtsfeld meines Fernsehers gejoggt und kriege einen Moment lang nicht mehr so richtig mit, was Jutta uns da gerade vormacht.
Bettina und Sabine lassen derweil bereits ihre Schultern kreisen, immer größer werden die Bewegungen, jetzt reiche ich schon fast an die Deckenlampe heran. Hui, das ist fein, das macht fit. „Noch vier, noch drei, Bein zur Seite und feste auftreten“, befiehlt Jutta, und wir folgen ihr. Nun nach vorne abstützen, Hüfte kreisen, Fußspitze kicken und zur Seite laufen. Huch, daß ist jetzt doch ein bißchen kompliziert, so alles gleichzeitig, und die Arme dürfen wir auch nicht vergessen. „Ferse nach vorne, nur die Ferse!“ blafft mich Jutta an, und ich schwöre, sie hat mir dabei bösartig in die Augen gesehen. „Tja, das ist jetzt schon ein bißchen anstrengend“, lächelt diese magersüchtige Blondine heimtückisch und will nun auch noch, daß ich im Rhythmus der immer schneller werdenden Musik die Füße kreuze. Und eins, und zwei, ich kann das Gleichgewicht nicht mehr halten, versuche noch einen letzten Step-Side – und plop! –, da hat es mich niedergerissen.
Kaum habe ich mich aus der Verrenkung gelöst, da klingelt es auch schon an der Tür: Katrin will wissen, warum ich seit zehn Minuten mit den Füßen auf ihrem Kopf herumtrampele und ob ich eigentlich noch alle Tassen im Schrank habe. „Keine Sorge, Katrin“, schiebe ich die Naturschöne von unten wieder aus dem Türrahmen, „ich habe nur gerade beschlossen, daß es auch Frauen mit inneren Werten geben muß.“ Klaudia Brunst
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