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■ StandbildUnappetitlich

„Wahre Wunder“, Montag, Sat.1, 21.20 Uhr

„Wunder gibt es immer wieder, heute oder morgen können sie geschehehn...“ (Hitparadenweisheit)

„Wunder passieren uns allen – man muß sie nur erkennen“, mutmaßt Sabrina Fox. Und den Wundern nach zu urteilen, die sie uns zusammen mit Dietmar Schönherr präsentiert, hat sie völlig recht. Da steigen vier Senioren – „Kameraden noch aus dem Krieg“ – in ein Privatflugzeug, und „keiner der Männer merkt, daß grau wie ein Schatten der Tod mit an Bord kommt“. Der Sensenmann holt sich den Kameraden Pilot Willi und Kamerad Co-Pilot Ferdi, der seit 50 Jahren kein Flugzeug mehr gesteuert hat, landet die Kiste. Ein Wunder? Pah, oben geblieben ist noch keiner.

„Es war schon schlimm“, wird hinterher resümiert, aber der Willi sei „wenigstens bei der Ausübung seiner Lieblingstätigkeit gestorben“. Was man Sabrina Fox wohl nachsagen darf, wenn sie dereinst abberufen wird, während sie gerade mit einem „und wir freuen uns noch mal alle ganz herzlich!“ das Publikum zu überflüssigem Beifall aufputscht?

Gar nicht so einfach als solches zu erkennen, ist auch das Wunder mit Frau Möller. Die schlingt – „das Leben schreibt sicher die hinreißendsten Geschichten“ – ein paniertes Kotelett so schnell in sich hinein, daß es ihr im Halse stecken bleibt. „Kein rühmlicher Abgang“, muß sich ihr Mann gedacht haben, packt sie in den Wagen, brettert mit solchem Tempo in Richtung Krankenhaus, daß er in eine Baustelle rast und seiner Frau vor Schreck die Panade aus der Speiseröhre fliegt. Ein Wunder? Ein ziemlich unappetitliches, wenn überhaupt. Und beim „singenden Müllmann Erich Gebhard“ ist auch eher die Tatsache wunderbar, daß er sich mit seiner Lobeshymne auf diese Sendung vor die Kamera traut. Ebenso sind die übrigen Geschehnisse höchstens Wunder zweiter Klasse. Wunder halt, wie sie uns allen täglich passieren. Wir müssen sie nur erkennen. Und deshalb: Wenn die Post mal schon vor 12 Uhr im Kasten liegt; wenn es im Polizeirevier heißt: Engelbert Sonneborn – was ist denn da der Vor- und was der Nachname?“, wenn Sie Katja in der Uni einmal ohne Marx und Weber unter dem Arm begegnen oder eine vermeintliche Schriftstellerin im Werbefernsehen die Erfindung von o.b.-Tampons als bedeutsamst für die Emanzipation der Frau erklärt: Gehen Sie nicht einfach darüber hinweg! Melden Sie's Sabrina Fox! Martin Sonneborn

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