Spitzel-Affäre : Skandalös alte Weltbilder
Über den Verfassungsschutz gibt es Gutes zu berichten. Immerhin ist der Geheimdienstapparat seit seiner Reform vor fünf Jahren mit rechercheintensiven Informationsbroschüren über Islamismus und Rechtsextremismus in Erscheinung getreten. Und nicht mehr mit übertriebener Bespitzelung der Linken. Die Aushorchung des Berliner Sozialforums aber zeigt: Die äußerlich rundum erneuerte Behörde hängt intern weiter an skandalös veralteten Weltbildern.
Kommentarvon FELIX LEE
Zu Recht hat die Behördenspitze den Fokus ihrer Beobachtungen unter anderem auf den Rechtsextremismus gelenkt. Schließlich ist die Gefahr, die von Neonazis ausgeht, auch unverhältnismäßig höher. Zugleich hat sie es aber offensichtlich versäumt, den Mitarbeitern, die sich mit dem Extremismus von links beschäftigen, zu vermitteln, dass ihre Feindbilder überholt sind – und das seit zehn Jahren.
Wie sonst ist zu erklären, dass V-Männer über Jahre hinweg eine linke Initiative bespitzeln, bei der es sich um ein höchst demokratisches Forum handelt? Personen und Gruppen werden dort als „autonom“ eingestuft, die diesem Politikverständnis längst abgeschworen haben. Trotzkisten wird Antiparlamentarismus vorgeworfen. Dabei wünschen sich deren Mitglieder nichts sehnlicher, als auf dem Ticket der WASG ins Abgeordnetenhaus zu ziehen.
Gerne verweist der Innensenator auf die Fleißarbeit, die seine Mitarbeiter im Bereich Rechtsextremismus geleistet haben. Doch bei allem Fleiß wissen die Verfassungsschützer auch hier wenig Neues zu berichten. Die von Körtings Behörde ebenfalls ins Visier genommenen Antifa-Initiativen sind schon lange vorher zu ähnlichen Ergebnissen gekommen – ohne V-Männer.
Mit seiner derzeitigen Arbeit dokumentiert der Geheimdienstapparat vor allem eins: Er ist überflüssig.