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Sozialer Friede in Gefahr

■ Weizsäcker: Schont die Schwachen!

Hamburg (dpa/taz) – Arbeit für alle ist, in Deutschland zumindest, derzeit höchstens ein Wunschtraum. Der alarmierende Anstieg der Arbeitslosenzahl auf über vier Millionen im kommenden Jahr, vom Sachverständigenrat prognostiziert, gefährdet zunehmend den sozialen Frieden.

Am Wochenende griff sogar Bundespräsident Richard von Weizsäcker in die Debatte ein. Er forderte Bund, Länder und Gemeinden auf, die notwendigen Sparmaßnahmen nicht zu Lasten des sozialen Bereichs zu betreiben. Es sei keine Lösung, die wirtschaftliche Krise auf die sozial Schwachen abzuwälzen, da sonst der für das Zusammenleben unentbehrliche soziale Konsens in der Gesellschaft gefährdet werde. Mutlosigkeit und Verzweiflung der Betroffenen seien die Folgen, so der Bundespräsident.

Das hat anscheinend die Bundesregierung noch nicht kapiert. Während Kassenwart Theo Waigel (CSU) ausgerechnet von der Bundesanstalt für Arbeit eine strengere Ausgabendisziplin einforderte („Bei den Kosten der Arbeitslosigkeit muß im nächsten Jahr gespart werden“), wehrt sich Günter Rexrodt (FDP) weiter stramm gegen eine Verkürzung der Arbeitszeit und Lohnerhöhungen. Sein liberaler Oberlehrer Otto Graf Lambsdorff verlangte konsequent weitere Einsparungen, insbesondere bei den Sozialleistungen.

Die SPD legt unterdessen die alte Platte von der Konzertierten Aktion auf. Rudolf Scharping forderte, Unternehmer, Gewerkschaften und Politiker müßten sich zu gemeinsamen Bemühungen um Konzepte an einen Tisch setzen. Rudolf Dreßler, seinerseits SPD- Sozialpolitiker, nahm den Mund besonders voll: Ehrgeiziges Ziel seiner Partei für den Fall eines Wahlsiegs im kommenden Jahr sei, die registrierte Massenarbeitslosigkeit zu halbieren. Kommt nach der Steuerlüge nun die Arbeitslosenlüge?Siehe auch Seite 6

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