: Sozialdemokraten blockieren Vermittlungsausschuß
■ SPD ist erst zu Kompromiß bei der Sozialhilfereform bereit, wenn die Bundesregierung ihr gesamtes Sparpaket vorlegt
Bonn (dpa/AFP) – Auf Drängen der SPD wird über die Reformvorhaben der Bundesregierung in der Sozial- und Arbeitslosenhilfe erst nach Vorlage des Sparpakets der Koalition entschieden. Der Vermittlungsausschuß von Bundestag und Bundesrat vertagte gestern nachmittag in Bonn die Beratung über diese Themen und setzte eine Arbeitsgruppe ein, die sich bis Anfang Mai mit den Plänen befassen soll.
Der SPD-Sozialexperte Rudolf Dreßler sagte am Rande der Sitzung in Bonn, der Vermittlungsausschuß müsse vor Behandlung der Reformpläne den Inhalt des Sparpakets der Bonner Koalition kennen. CDU/CSU und FDP wollen ihr Maßnahmenbündel zur Einsparung von 50 Milliarden Mark in der kommenden Woche vorlegen. Die Grünen unterstützten die Forderung, die Änderungsvorschläge in einem Gesamtpaket zu behandeln. SPD und Grüne haben im Ausschuß die Mehrheit.
Dagegen mahnte der CDU-Politiker Heribert Blens, der die Sitzung gestern leitete, eine zügige Beratung der Sozialgesetze an. Die SPD-Ministerpräsidenten sollten sich in Verantwortung für die Finanzsituation ihrer Länder und Gemeinden den „Weisungen“ ihrer Parteizentrale widersetzen. Die drei zur Vermittlung anstehenden Gesetze brächten Bund, Ländern und Gemeinden Einsparungen von über fünf Milliarden Mark jährlich, erklärte der CDU-Politiker. Mit jedem Monat Verzögerung erhöhten sich die Defizite der öffentlichen Haushalte um über 400 Millionen Mark.
Verständnis für die Haltung der SPD äußerte indessen der CDU- Sozialpolitiker Ulf Fink. Er halte das Argument für richtig, daß man nicht über einen Teilaspekt verhandeln könne, ohne das Gesamtkonzept zu kennen, sagte Fink. Er gehe deshalb davon aus, daß der Ausschuß eine Kommission einsetzen werde, die dann auch die anderen Vorschläge des Sparpakets der Bundesregierung in die Bewertung mit einbeziehen könne.
Im Reformgesetz für die Arbeitslosenhilfe will die Bundesregierung festlegen, daß Langzeitarbeitslosen die Bemessungsgrundlagen für die Arbeitslosenhilfe um jährlich 3 Prozent reduziert werden. Dadurch sollen jährlich 2,1 Milliarden Mark eingespart werden.
Mit der Sozialhilfereform sollen die Leistungen um mindestens 25 Prozent gekürzt werden, wenn eine zumutbare Arbeit abgelehnt wird. Die Regelsätze sollen künftig grundsätzlich um 15 Prozent niedriger liegen als die Nettolöhne in den unteren Einkommensgruppen. Arbeitgeber, die schwervermittelbare Sozialhilfeempfänger einstellen, sollen einen Zuschuß zu den Lohnkosten erhalten können. Die Reform soll Ersparnisse von 2,2 Milliarden Mark bringen. Nach dem Asylbewerberleistungsgesetz sollen Asylbewerber bis zur Entscheidung über ihren Antrag einen bis zu 20 Prozent gekürzten Sozialhilfesatz erhalten. Damit sollen die Kommunen um etwa 900 Millionen Mark entlastet werden.
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