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Sowjetwissenschaftler kritisiert Führungsrolle der Partei

Moskau (dpa/afp) - Außergewöhnlich scharf hat ein Abgeordneter des sowjetischen Volkskongresses am Donnerstag die Führungsrolle der kommunistischen Partei angegriffen und die derzeitige Politik der Sowjet-Führung als inkonsequent bezeichnet. „Die Partei ist ein Teil des Volkes, folglich steht das Volk auch über der Partei“, erklärte der Agrarwissenschaftler Jemeljanow unter dem Beifall der Delegierten. In Anwesenheit von Staats- und Parteichef Michail Gorbatschow verurteilte Jemeljanow die Zusammenlegung der höchsten Ämter in Partei und Staat: „Das Einparteiensystem ist an sich schon ein Machtmonopol, doch wenn die Ämter des Generalsekretärs und des Staatspräsidenten zusammengelegt werden, so ist dies ein Monopol im Quadrat.“

Mit überwältigender Mehrheit bestätigte am Donnerstag nachmittag der Kongreß der Volksdeputierten Nikolai Ryschkow in seinem Amt als sowjetischer Ministerpräsident. Von den rund 2.000 anwesenden Abgeordneten enthielten sich 87 der Stimme, 59 stimmten gegen Ryschkow, der am Mittwoch vom Obersten Sowjet als Ministerpräsident nominiert worden war. Ryschkow, der seit 1985 im Amt ist, hatte den Deputierten am Mittwoch abend seinen Wirtschaftsplan für die kommenden Jahre vorgestellt, der insbesondere die Senkung des Haushaltsdefizits vorsieht.

Ein Deputierter der zentralasiatischen Sowjetrepublik Kasachstan, der Schriftsteller Olschas Suleimanas, verlangte die Schließung des nuklearen Testgeländes „Semipalatinsk“. Die seit mehr als vier Jahrzehnten immer wieder stattfindenden Explosionen in der Region hätten die Kraft von „2.500 Hiroschimas“ gehabt. Für seine Forderung erhielt Suleimanas von den Deputierten des Kongresses starken Applaus.

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