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„Sowjetwirtschaft außer Kontrolle“

■ DIW: Inflationsrate fiel nicht, Produktivität sinkt, Versorgung bleibt desolat

Berlin (dpa) - Fünf Jahre nach Beginn der Perestroika gerät die sowjetische Wirtschaft nach einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) mehr und mehr außer Kontrolle. Die Versuche der Politik, punktuell marktwirtschaftliche Elemente in das administrativ -zentralistische System einzuführen, seien endgültig gescheitert. Eine umfassende Wirtschaftsreform werde durch Unabhängigkeitsbestrebungen einzelner Republiken zunehmend aussichtsloser, so daß vermutlich deren dezentrale Reformen erfolgversprechender seien.

Der seit zwei Jahren anhaltende Rückgang der Erdölförderung beeinträchtigt das Verkehrswesen und die Exportfähigkeit, so das DIW. Trotz sinkender Arbeitsproduktivität sei die Summe der Löhne und Gehälter im 1. Halbjahr 1990 gegenüber dem Vorjahreszeitraum um zwölf Prozent gestiegen. Die Versorgungslage bleibe desolat. Zahlreiche Regionen hätten Konsumgüterlieferungen an andere Landesteile unterbunden und geben Waren nur noch an die eigene Bevölkerung ab. Mehrere Republiken streben die volle wirtschaftliche Unabhängigkeit an, berichtet das Institut.

Die im Plan 1990 vorgesehenen Maßnahmen zur Inflationsbekämpfung sind wirkungslos geblieben, betont das DIW. Der inflatorische Geldüberhang sei in den vergangenen vier bis fünf Jahren durch einen enormen Kreditbedarf von Staat und staatlicher Wirtschaft entstanden, der von der Staatsbank gedeckt werden mußte. Die Defizite im Staatshaushalt hätten zu einer Binnenverschuldung von umgerechnet 460 Milliarden DM geführt, schreibt das DIW.

Zum Absinken der Industrieproduktion im 1. Halbjahr 1990 habe die Umstellung eines Teils der Rüstungsindustrie auf zivile Erzeugnisse beigetragen.

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