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Sowjettruppen in Alarmbereitschaft — oder beim Ernteeinsatz?

Moskau (afp/taz) — Die Gerüchte um einen Militärputsch in der Sowjetunion werden vielfältiger. So wurde bekannt, daß die seit Anfang September im Umkreis von Moskau stationierten Truppen in erhöhte Alarmbereitschaft versetzt worden sind. Das behauptete jedenfalls der Oberst Sergej Kudinow gestern vor dem Obersten Sowjet der UdSSR. Kudinow ist ein Offizier, der im September von seinem Amt als Kommandant der Militärschule von Rjasan entbunden worden war. Die Soldaten seien „auf ein außergewöhnliches Ereignis vorbereitet worden“. Nach seinen Angaben traf ein Regiment von speziell ausgebildeten Fallschirmspringern, mit kugelsicheren Westen ausgestattet, in Moskau ein. Eine Gruppe von 20 Offizieren sei in Rjasan für die Truppen verantwortlich. Laut Kudinow begannen die Truppenbewegungen um Moskau um den 9. September herum.

Der Chef des Geheimdienstes KGB, Wladimir Krjutschkow, entgegnete Kudinow, daß gegenwärtig zwei Divisionen bei Moskau stationiert seien. Die dem KGB unterstellten Soldaten aus Witebsk, die normalerweise die kaukasisch-moldauische Grenze bewachen, würden bei der Ernte mithelfen. Die Fallschirmspringer aus Rjasan übten in der Nähe der Hauptstadt für die Parade anläßlich der Oktoberrevolution. Kudinow gab sich mit diesen Angaben nicht zufrieden, da die Soldaten „sich gewiß auf die Parade vorbereiten. Trotzdem bleibt das Kampfmaterial in ihren Händen“.

Präsident Michail Gorbatschow hatte den Oberst zuvor aufgefordert, seine Informanten zu nennen. Schon vor zwei Wochen hatten Reformzeitungen über Putschvorbereitungen spekuliert. Beobachter sprechen davon, daß sich bei den Militärs Verunsicherung breitmacht.

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