: Somalias letzter Diktator stirbt im Exil in Nigeria
■ Siad Barre tot / Sein Aufstieg brachte Somalia so wenig Frieden wie sein Fall
Berlin (taz) – Somalias letzter Diktator, Mohamed Siad Barre, ist gestern im Alter von 75 Jahren im nigerianischen Exil gestorben. Für Somalia war seine 22jährige Herrschaft zwischen 1969 und 1991 eine Zeit der Umwälzungen und des Krieges, in der das Chaos und die Bürgerkriege wurzeln, die seither das Land prägen.
Es war eine Ära des proklamierten Systemwandels, die alles umstürzen sollte und schließlich nichts veränderte. Als Barre am 21. Oktober 1969 per Militärputsch die Macht ergriff – später hieß das „Oktoberrevolution“ – wollte er „Korruption, Bestechung, Nepotismus, Diebstahl öffentlicher Gelder, Ungerechtigkeit, Disrespekt für unsere Religion und die Gesetze des Landes“ beenden, wie er in seiner ersten Rede ankündigte.
Als Anfang Januar 1991 die Guerillabewegung „Vereinigter Somalischer Kongreß“ (USC) die Hauptstadt Mogadischu nach mehrjährigem Kampf eroberte und Barre zur Flucht zwang, stürzte sie ein Regime, in dem „allgegenwärtige Korruption, Nepotismus, Mißwirtschaft, Diebstahl öffentlichen Eigentums und über 20 Jahre andauernde brutale politische Unterdrückung“ geherrscht hatten, wie ein Wortführer des USC damals schrieb. Diktator Barre setzte auf Nationalismus und Verstaatlichung. Er führte Kampagnen für „wissenschaftlichen Sozialismus“ und gegen Faulheit. Um „Groß-Somalia“ zu bauen, trieb er seine Armee Mitte der 70er Jahre in den Krieg gegen Äthiopien, was ihm zwar – da Äthiopien noch „sozialistischer“ war als Somalia – die USA als Verbündeten bescherte, jedoch auch eine vernichtende Niederlage brachte. Die Flüchtlingswanderungen und soldatischen Unzufriedenheiten dieser Zeit waren der Keim für die Revolte, die Ende der 80er Jahre in Nordsomalia begann und, da Barre die Macht in den Händen seines Klans monopolisiert hatte, schließlich sukzessive das ganze Land ergriff.
Barres Sturz brachte keinen Frieden. Der Staat Somalia lebte und starb mit Korruption und Klanwirtschaft – als Korruption und Klanwirtschaft zu Grundübeln erklärt wurden, zerfiel daher auch der Staat. Daß der exilierte Barre eines Tages doch noch zurückkehren könnte, um sein Land mit Waffengewalt wieder zu einen, blieb noch bis in die jüngste Zeit Traum – oder Alptraum – mancher Somalis. Nun ist Barre tot. Der Staat Somalia auch. Dominic Johnson
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