■ Senat ohne Handlungsspielraum: Haushaltszumutungen
„Die Handlungsfähigkeit der Stadt steht auf dem Spiel.“ Was aus Diepgens Mund wie ein dramatischer Appell klingt, der den Berlinern die „persönlichen Zumutungen“ des Haushalts '94 genießbar machen soll, ist eher eine realistische Beschreibung der künftigen Spielräume des Senats. Die Haushaltslage ist in der Tat dramatisch, so dramatisch, daß es schon müßig erscheint, daran zu erinnern, daß die Große Koalition ihre im Mai '91 beschlossene Finanzplanung nicht einhält und weiter denn je davon entfernt ist, die Zins/Steuerquote Berlins auf Bundesniveau zu heben. Sie ist so dramatisch, daß es kaum noch Genugtuung verschafft, darauf zu verweisen, daß das Dilemma absehbar und vor allem in der einseitigen Fixierung auf die Bundeshilfe begründet war. Statt sich ihrem Schwinden mit aufgeplusterter Larmoyanz entgegenzustemmen, hätte der Senat mit seinen „tiefen Einschnitten“ bereits vor zwei Jahren beginnen müssen. Diese Zögerlichkeit des Senats ist auch dem Klientelismus geschuldet, der die Große Koalition zu einer Ausgewogenheit zwingt, die weniger sozial ist, als vielmehr der jeweils aktuellen balance of power der Regierungspartner entspricht. In diesem Kräftefeld haben sich die Gewichte, wie man an den Haushaltsbeschlüssen zur Sicherheitspolitik ablesen kann, zugunsten der CDU verschoben. Ihrer Lobby können es die Polizisten verdanken, daß sie zum Beispiel, trotz gegenteiligen Gutachtens des Landesrechnungshofes, weiterhin ihre gemächlichen 12-Stunden-Schichten schieben können. Mit Erfordernissen der Kriminalitätsbekämpfung hat das nichts zu tun. Die Opposition wird ihre Kritik auf solche Unausgewogenheiten richten und darauf, daß die Neuverschuldung den verfassungsrechtlich zulässigen Rahmen übersteigt. Allerdings weiß auch sie kaum Alternativen aufzuzeigen. Partielle Kritik dominiert vor konzeptionellen Überlegungen zur Reduzierung oder Umgestaltung des öffentlichen Sektors. Deshalb kann sich der Senat in seiner Misere noch geradezu behaglich sicher fühlen. Dieter Rulff
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