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Schurkenstück im Entwicklungsfonds

■ Chef der Europarats-Institution zockte kräftig Spesen ab

Bonn/Paris (dpa/taz) – Kaum hat Jacques Attali seinen Posten als Osteuropabank-Chef wegen Amtsanmaßung verloren, muß sich der Eurpoarat mit einem weiteren handfesten Skandal herumschlagen. Attalis Kollege Roger van den Branden, seinerseits Gouverneur des Sozialen Entwicklungsfonds beim Eurpoarat, betätigte sich ebenfalls als Abzocker, der den allerten Franzosen bei weitem in den Schatten stellte. Unter der Führung des inzwischen ausgeschiedenen Belgiers wurde der Entwicklungsfond, der den Mitgliedsstaaten des Europarats billige Kredite zur Flüchtlingshilfe bereitstellt, nicht nur zum Selbstbedienungsladen der Chefetage umfunktioniert. Auch die gewährten Darlehen unterzogen die Banker in den seltensten Fällen einer Prüfung.

Aus dem Rententopf, berichtet der Stern, bedienten sich einige Angestellte vorab mit umgerechnet vier Millionen Mark. Van den Branden selbst bewilligte sich zwischen 1989 und 1991 großzügig gut 100.000 Franc pro Jahr; dazu soll sich der Direktor rund drei Millionen Mark aus dem Rententopf auf das eigene Konto transferiert haben. Bei den Darlehen seien 3,5 Milliarden ECU (6,7 Milliarden Mark) nach Italien und in die Türkei gegangen, „ohne daß irgendwer bei der Bank geprüft hätte, wo das Geld blieb“. Die Türkei soll statt Zelten damit Waffen für den Kampf gegen die Kurden beschafft haben. Ein geheimer Untersuchungsbericht der internationalen Wirtschaftsprüfer Ernst und Young kam zu dem Ergebnis, daß der Fonds in 96 Prozent der kontrollierten Fälle den Weg des verliehenen Geldes nicht verfolgte. – Auf Anfrage dementiert Knut Kage, vom Bonner Finanzministerium entsandtes Verwaltungsratsmitglied, die Fahrlässigkeit als „schlicht erfunden“. Von in dem Gutachten festgestellten 85 Mängeln seien 84 abgearbeitet, dabei auch die Verfahren für Darlehen an die Mitarbeiter. Im Gegenteil habe die Bank mit ihrer Bilanzsumme von 13,6 Milliarden ECU unter Führung van den Brandens erheblich an Reputation gewonnen. Vor allem die Deutschen hatten eine Veröffentlichung der Machenschaften blockiert, so der Stern. Kage selbst will Branden beerben. Nach Veröffentlichungen der Affäre in französischen und holländischen Zeitungen wollten deutsche Stimmen im Europarat hierin französische Intrige gegen den deutschen Kandidaten sehen.

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