Schmökerstunde mit Neuköllns Bürgermeister : Immer drauf auf Multikulti
Es versprach, eine spannende Veranstaltung zu werden. Da meldet sich ein vor allem von konservativer Seite gern rezipierter Migrationsforscher mit einem neuen Buch zu Wort. Und auch der Titel seines Werks – „Abschied von Multikulti. Wege aus der Integrationskrise“ – versprach zündende Diskussionen. Doch dann kam alles anders.
Die Buchpräsentation des Bremer Politikwissenschaftlers Stefan Luft in der Neuköllner Stadtbücherei entpuppte sich als eine Veranstaltung mit langweiliger Phrasendrescherei – obwohl der ebenfalls anwesende Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky (SPD) das Werk als „unverzichtbar für diejenigen, die sich mit Migration beschäftigten“, geadelt hatte. Abgesehen davon, dass nicht einmal mehr linke Migrationsforscher ein Multikulti-Konzept propagieren im Sinne von unkontrollierter Zuwanderung bunter Folkloregruppen, die nebeneinander her leben – meist plädieren sie für eine gegenseitige Annäherung von Mehrheits- und Minderheitsgesellschaft. Doch Lufts Thesen, die sich gegen den Multikulti-Ansatz wenden, sind weder provokant noch neu.
Auf rund 480 Seiten versucht der Forscher zunächst zu belegen, inwiefern die unkontrollierte Zuwanderung von Ausländern in einer Großstadt wie Berlin zu katastrophalen Verhältnissen geführt habe. Die Schuld gibt er zu Recht der halbherzigen Gastarbeiterpolitik seit den 60er-Jahren. Sie hätte nur funktioniert, wenn die Angeworbenen auch tatsächlich wieder zurückgekehrt wären. Seine Schlussfolgerung lautet jedoch: „Bevor über zusätzliche Zuwanderung gesprochen wird, müssen die gravierenden Probleme der hier dauerhaft lebenden Menschen gelöst werden.“ Als würde das eine das andere ausschließen.
In einem späteren Kapitel widmet sich Luft den Problemen in den Berliner Stadtteilen. Von „ethnischen Kolonien“ spricht er und kritisiert damit das Verhalten vieler Migranten, die ihresgleichen suchen und ab einem bestimmten Punkt wesentlich das Kiezbild prägen würden. Unter anderem so seien die Problemviertel in Kreuzberg, Wedding und Tiergarten entstanden.
Luft gibt zum einen liberal eingestellten Politikern die Schuld, die sich allzu sehr mit der Bewahrung längst überholter Traditionen beschäftigt haben. Zum anderen kritisiert er die Sozialleistungen. Sie hätten zur Folge gehabt, dass viele Migranten es gar nicht für nötig erachtet hätten, sich auf die Suche nach einem Arbeitsplatz zu machen, geschweige denn, Deutsch zu lernen.
Dabei birgt sein Buch auch positive Vorschläge. „Bussing“ zum Beispiel. Schüler nichtdeutscher Herkunft sollten gleichmäßig über die Stadt verteilt werden, damit die „Hauptlast der Integration nicht den sozial schwächsten Angehörigen dieser Gesellschaft überlassen werden“. Und die Sprachförderung sowie die Qualifizierung für die Integration in den Arbeitsmarkt sei ebenfalls von zentraler Bedeutung. Aber auch das ist keine neue Erkenntnis. FELIX LEE