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Archiv-Artikel

Schilys „Cicero“-Gepolter sagt viel über ihn, wenig über Pressefreiheit Kolossal-Frust eines Abgewählten

Aus Otto Schily kann nichts mehr werden, und deshalb darf sich der scheidende Bundesminister des Innern, für den in der kommenden Koalition bei aller Größe hoffentlich kein Platz mehr ist, gehen lassen. Fortsetzung: heute, vor dem Innenausschuss. Schilys Lektionen zur Rolle der Medien im wehrhaften Staat, dritter Teil.

Bleibt festzuhalten: Im Prinzip waren die Durchsuchungen in der Redaktion des Monatsmagazins Cicero und bei dessen Mitarbeiter Bruno Schirra, der ausführlich einen als Verschlusssache gekennzeichneten Bericht des Bundeskriminalamtes zitiert hatte, zulässig. Dass die Beamten gleich Schirras ganzes Privatarchiv mit zum Teil zehn Jahre alten Unterlagen mitnahmen, war dagegen unverhältnismäßig und damit rechtswidrig. Sollte sich bewahrheiten, dass die Polizei hierbei bewusst und auf höhere Anweisung vorging, um den Journalisten einzuschüchtern, wäre das Nötigung und erst recht illegal.

Was daraus folgt, klären, wie im Rechtsstaat üblich, die Gerichte. Und die Medien werden darüber berichten. Dass aber Otto Schily (SPD) diese Aktion nicht differenziert bewertet, sondern solches Vorgehen in seinem Kolossalfrust über undichte Stellen im Regierungsapparat und missliebige Medien mit an Honecker’schen Starrsinn erinnernder Hartnäckigkeit rechtfertigt, ist schlicht dumm. Schily sieht das „Recht des Staates“, seine Gesetze anzuwenden, ja zu verteidigen, in Gefahr. Wo denn, bitte – ausgerechnet bei einem politischen Salonmagazin aus Potsdam?

Dazu kommen Rachgelüste nach Art des alternden Sheriffs, ein bemühter Versuch, so etwas wie den High Noon der Berliner (Medien-)Republik zu inszenieren. Bei dem ebendiese Medien übrigens genauso gekonnt mitspielen. Schily redet von seinen Kritikerin als von ein „paar Hanseln“, und die blaffen begeistert zurück. Mit der Cicero-Affäre hat das natürlich herzlich wenig zu tun. Verboten ist es aber nicht.

Die Pressefreiheit ist übrigens nicht gefährdet, nur weil sich ein alter Mann in Rage redet. Nicht einmal, wenn es sich dabei zufällig um den abgewählten Bundesminister des Innern handelt.

STEFFEN GRIMBERG