: Schäuble will keine Maastricht-Debatte
■ Die Europäische Währungsunion soll lieber verschoben werden, als daß die Stabilitätskriterien aufgeweicht werden
Bonn (AFP/dpa) – Eine Diskussion über die Stabilitätskriterien für die europäische Währungsunion zum jetzigen Zeitpunkt würde nach Einschätzung des Unionsfraktionschefs im Bundestag, Wolfgang Schäuble, das Scheitern des Projekts heraufbeschwören. Deutschland werde im kommenden Jahr die Konvergenzkriterien erreichen, und auch Frankreich könne dies schaffen, sagte Schäuble in einem Interview des Spiegel. 1995 war die Neuverschuldung der Bundesrepublik zu hoch, um den Kriterien des Maastricht- Vertrages für den Eintritt in die Währungsunion zu genügen.
Die Diskussion über eine Verschiebung der Währungsunion werde sich aber noch zuspitzen „und eine Zeit lang kritisch sein“, meinte Schäuble. Bei der Einführung der EU-Währung Euro dürfe aber nicht gewartet werden, bis alle Staaten der Europäischen Union einverstanden seien.
Auf Überlegungen in der Bonner Koalitionsspitze über eine Verschiebung der Währungsunion angesprochen, sagte Schäuble, die Politik müsse sich schließlich auf Eventualitäten einstellen. Die Bundesregierung bleibe dabei, daß sie bei einem Konflikt zwischen der Einhaltung der Konvergenzkriterien und dem Zeitplan für die Währungsunion eher eine Verschiebung in Kauf nehmen wolle als eine Aufweichung der Kriterien. Wenn die Währungsunion scheitere, bestehe die Gefahr, daß sich die EU zu einer normalen Freihandelszone zurückentwickeln werde, warnte Schäuble.
Der Chef-Volkswirt der Deutschen Bank, Ulrich Cartellieri, schlug unterdessen vor, Deutschland und Frankreich sollten bereits vor dem geplanten Beginn der Währungsunion 1999 ihre Währungen fest aneinander koppeln. Mit dieser Maßnahme ließe sich Spekulationen gegen den französischen Franc vorbeugen. Würde die Währungsunion verschoben, käme es nach Ansicht Cartellieris zu erheblichen Turbulenzen auf den Devisenmärkten. Aus allen europäischen Währungen würden Anleger in die D-Mark flüchten. Die daraus folgende Aufwertung wäre fatal für die deutsche Wirtschaft.
Heute wird der französische Premierminister Alain Juppé zu einem Gespräch mit Bundeskanzler Helmut Kohl in Bonn erwartet. Dabei dürfte die Währungsunion ebenfalls zur Sprache kommen.
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