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SanssouciVorschlag

■ Palace Brothers im Huxley's Junior

Bei der erstmaligen Begegnung mit einer noch unbekannten Band passiert es manchmal, daß vor lauter Überraschung die Ohren ihren Muscheln, die Augen ihren Sehbahnen mißtrauen – und auch die Hose nicht mehr paßt. So etwas hat du noch nicht gehört, heißt es dann, keine besonders im Popbereich beliebten Vergleiche mit anderen Bands passen mehr, jede Vokabel, die dann doch noch über die Zunge quillt, ist fehl am Platz. So geschehen bei den Palace Brothers, die vor einem Jahr mit ihrem Album „There Is No-One What Will Take Care Of You“ allerorten aufgeregtes Staunen entfachten – wobei dieser Musik eigentlich nichts mehr widerstrebt, als Jubel und Trubel zu entfachen, und insbesondere Will Oldham, Mastermind und Gott der Band, nichts mehr zuwider ist als Rummel um seine Person. Zu hören bekommt man bei den Palace Brothers eine Art düstere Country- und Westernmusik: die Betonung liegt auf „düster“, und die Assoziationskette von Frustration – Verzweiflung – Pistole auf den Tisch – Selbstmord ist wohl selten so bemüht worden wie hier, nicht zuletzt bedingt durch den ziemlich trockenen Ausruf, daß sich hier keiner um jemand anderen kümmere.

Ja ja, sehr traurig, oft wahr, obwohl man hier doch die auktoriale Distanz ebenso wie die falsche Grammatik beachten sollte, von Will Oldham nur mit einem „hört sich doch gut an, oder?“ erläutert – auch Beck kommt ja bestens mit seinem Losertum klar und fragt provokativ „why don't you kill me?“

Genauso gut klingt der minimalistisch-knarzige Country- Sound, den Oldham manchmal bis auf das Grundgerüst eines einzigen Akkords herunterfährt; ein Sound, bei dem die Töne vereinzelt und sehr transparent aufeinanderfolgen und letztendlich dadurch ihre Verletzlichkeit offenbaren; wo die ganze Lebenslast und „alle Zeit der Welt“ in den Zwischenräumen, den Leerstellen, dem nicht Gesagten liegen.

Wer will, kann in bester Dialektik allerdings auch Hoffnungsschimmer, positives Denken und Lebensfreude heraushören, zumindest formvollendete Schönheit. In jedem Fall schaffen es die Palace Brothers, daß man beim Hören ihrer Musik immer mal wieder über das eigene Leben nachdenkt, und das, Leute, verdient Bewunderung und Respekt – und heute abend auch ein bißchen Andacht. Gerrit Bartels

Palace Brothers, heute abend, 21 Uhr im Huxley's Jr., Hasenheide 110–114.

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