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SanssouciVorschlag

■ „Shrek“: Schock und Horror im Quasimodo und im Unzeit

„Jedesmal, wenn ich in dein Zimmer komme und deine Musik höre, denke ich: Das ist das Schrecklichste, was es gibt. Aber beim nächsten Mal läuft eine noch viel schrecklichere Platte.“ So wie meiner Schwester muß es wohl auch Marc Ribots Großmutter gegangen sein, als sie hörte, was ihr Kindeskind musikalisch trieb. Eine Schimpftirade soll sie ausgestoßen haben, in der allein das Wort „Shrek“ verständlich war. Dem Enkel gefiel der Ausbruch so gut, daß er seine Band danach benannte. „Shrek“ stehe im Jiddischen weniger für „Schock“ als für „Horror“, so Ribot. Der Unterschied: Beim Schock gibt es Hoffnung auf Veränderung, Horror dauert länger.

Zwei Gitarristen (darunter der Bandleader selbst), ein Baßgitarrist und zwei Schlagzeuger machen die New Yorker Band aus. Schon die Besetzung läßt ahnen, daß sich hier Geräusche am Rhythmus brechen, Krach an der Komposition – oder Verführung an der Realität? Oft fangen die Stücke ganz harmlos an. Einzelne Töne werden versetzt gespielt, zusammengebaut zu einer Melodie, in der die Pausen wie Unterbrechungen aus Unsicherheit klingen. Sobald jedoch die zweite und dritte Gitarre das Motiv aufnehmen und die Schlagzeuge mit einfallen, kommt eine Dynamik dazu, die das Herz jedes Hardcorefans schneller schlagen läßt. Doch der Beat wird immer wieder gebrochen. Reflexion ist angesagt, nicht schieres Abfahren bis zur Bewußtlosigkeit. Leuten, die wahrnehmen, was sich im Alltag an Krach um sie auftürmt, wird die Musik von Shrek bekannt vorkommen. Die Dauerbeschallung wird hier thematisiert und musikalisch geordnet. Verkehrslärm und Unfallkrachen fallen einem ein, Fabrikgetöse und das Geräuschpotpourri, das entsteht, wenn man bei Höchstlautstärke die Frequenzskala auf- und abfährt. Dabei ist das Stück „Omanc“ viel programmatischer für Shrek, handelt es sich dabei doch um eine Romance ohne Anfang und Ende. Harmonie wird geboten, doch wenn man nach ihr greifen will, wird sie zerstört.

Ribot, dessen Name in Zusammenhang mit Musikergrößen wie Laurie Anderson, Wilson Pickett, Chuck Berry, Elvis Costello, Tom Waits, John Zorn und vielen anderen genannt wird, gelingt es, Schock und Horror zu thematisieren. Man ist erleichtert, wenn die Musik an einem vorbeigedonnert ist. Doch dann lauscht man ihr doch nach, und die Vibration ist auch dann noch spürbar, wenn sie nicht mehr zu hören ist. Waltraud Schwab

Morgen, 22 Uhr, Quasimodo, Kantstraße 12a, Charlottenburg; Marc Ribot solo, morgen, 17 Uhr, Institut Unzeit, Erkelenz-

damm 11-13, Kreuzberg

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