SUSANNE LANG über DIE ANDEREN : Fr. Klöckner, wir müssen reden!
Jung, weiblich, ledig – so macht die CDU Jagd auf dynamische Großstadtfrauen. Alright!
Eines Abends lächelte sie mich an, engelsgleich, ihr strähnenblondierter Pagenkopf rahmte adrett das Gesicht, sie sagte in bodenständigstem Rheinland-Pfalz-Sound Dinge wie „Kinder wachsen heute nun mal nicht unbedingt in einer Ehe auf“. Oder: „Statt Ehegattensplitting brauchen wir ein Familiensplitting“ …
Ich drückte vor Schreck die Austaste meiner Fernbedienung. Das Bild war weg. Und mit ihm diese CDU-Versuchung. Ich hatte trotzdem keine Chance. Am nächsten Morgen klingelte meine liebe Nachbarin Sturm. Ich öffnete artig. „Haben Sie diese Talkrunde gesehen?“, fragte Frau Fromm. „Ich sage Ihnen, diese CDU, jung, weiblich, ledig – die kommt ganz groß raus!“
Da es sich diesmal nicht um Ursula von der Leyen handelte, hatte ich keine Wahl. Also machte ich mich auf die Suche: Frau, 32 Jahre, blond, hübsch, Tochter eines Winzers, mit 23 Jahren Weinkönigin, dann Studium der Theologie, Politik, Pädagogik, Journalistin, Mitglied der CDU, Wahlkreissiegerin im Helmut-Kohl-Bundesland (Themenbereich „Verbraucher“); Julia Klöckner, das Gesicht des Generationswechsels in der CDU – die musste in diesem Hauptstadt-Berlin doch zu finden sein! Wie so oft war das „Café Einstein“ die Lösung, der PolitikerInnentreff.
Ein Morgen in diesem goldenen November. Julia Klöckner eilt heran, sagt herzlich „Hallo“, setzt sich und lächelt. Grüßt kurz zum Nebentisch hinüber, an dem ein ihr bekanntes munteres Frauenfrühstückskränzchen schon ordentlich Spaß hat. Sie sieht ein wenig neugierig aus. Was man jetzt von ihr wissen möchte? Na, da wäre etwa:
Wie gewinnt man, bitte schön, als junge CDU-Frau einen ländlichen Bauern-Winzer-Wahlkreis?
„Wenn ich mit Chanel-Täschchen herumgestapft wäre, dann hätte es sicher net geklappt. Man muss schon eine gewisse Geländegängigkeit zeigen. Mit Themenkenntnis kann man sich Respekt erarbeiten. Ich bin keine, die die Stammtischnummer macht.“
Die Stammtischnummer: Frühschoppen, sonntags fünf Bier mit den Männern. Warum denn nicht? „Das kommt als Frau net soo gut. Die Gratwanderung ist, nahbar zu sein, auch kumpelhaft, aber doch Distanz zu wahren.“ Julia Klöckner war Weinkönigin, sie weiß, wovon sie spricht. Eine gute Erfahrung?
„Ouu, jetzt kommt mein Lieblingsthema.“
Schämen Sie sich etwa dafür?
„Nein, aber die wenigsten wissen wirklich etwas über das Amt der Weinkönigin. Das ist mit einer richtigen Prüfung verbunden. Man soll Öffentlichkeitsarbeit für die deutschen Winzer machen, ist also Teil der Marketingstrategie.“
Es hat also nichts mit Aussehen zu tun?
„Also, es kann net schaden, wenn ma net schielt.“
Sind Sie in der CDU Teil der Angie-Offensive?
„Das würde ich so nicht sagen, auch wenn eine jüngere Garde rangekommen ist. Aber die kommt auch nur dahin, wo Posten frei sind. Grundsätzlich hat Angela Merkel aber einen Blick dafür, dass junge Frauen da sind und dass sie qualifiziert sind.
Wie ist Ihr Verhältnis?
„Wohlwollend, beidseitig.“
Solidarität unter Frauen?
„Das ist doch nichts Frauenspezifisches. Wenn man sich sympathisch ist und die andere Person überzeugt, dann setzt man sich für sie ein. Es ärgert nur dann, wenn Frauen systematisch ausgeschlossen werden. Und die CDU gilt ja immer noch als Altmännerpartei.“
Wenn Angie Helmut Kohls Mädchen ist, darf man Julia Klöckner wohl seine Enkelin nennen.
Eine, die es am liebsten sehen würde, wenn die Geschlechterfrage gar kein Thema mehr wäre, denn dann „hätten wir endlich Normalität“
Eine, die gläubig ist, aber viele Positionen der katholischen Kirche lebensfremd findet. Eine, die den Koalitionsvertrag okay findet, sich aber nach der Wahl für Schwarz-Gelb-Grün ausgesprochen hat. „Mittlerweile kann man ja auch mit Grünen reden.“ So will die CDU endlich auch die jungen, dynamischen Großstadtfrauen ansprechen.
Warum aber klappt das immer noch nicht?
„Ich frage mich: Liegt das wirklich an den Inhalten oder an der Vermittlung? ‚Merkelsteuer‘ – das können die anderen einfach besser. Oder ‚dieser Professor aus Heidelberg‘ – wir müssen für unsere Themen auch so ein Manual erarbeiten.“
Dann sind Sie ja – das perfekte Tool?
„Na ja, da gibt es doch viele …“
Julia Klöckner, eine der vielen jungen Pragmatikerinnen in der Politik. Immer am Heute orientiert. Zur richtigen Zeit, am richtigen Ort. In der CDU.
Fragen an die CDU? kolumne@taz.de Morgen: Jan Feddersens PARALLELGESELLSCHAFT