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Archiv-Artikel

STREIT ÜBER ATOMPOLITIK – CLEMENTS KLEINKRIEG MIT TRITTIN NERVT Gestaltungskraft sieht anders aus

Immer dann, wenn die Stimmung in der Wirtschaft oder auf dem Arbeitsmarkt schlecht ist, holt Wolfgang Clement die Keule raus. Mit solcher beliebt der Wirtschaftsminister dann auf den grünen Koalitionspartner einzuprügeln. Seht her – so die Botschaft –, ich würde ja gern. Aber die grünen Fundamentalisten verhindern vernünftige Industriepolitik. Das war beim Erneuerbare-Energien-Gesetz so, beim Dosenpfand, dem Emissionshandel, beim Energiewirtschaftsgesetz usw. usf.

Morgen ist Jobgipfel beim Kanzler. Und da muss Clement natürlich schnell noch einmal betonen: Nicht ich bin schuld, dass die Konjunktur mal wieder auf sich warten lässt. Schuld sind vielmehr Jürgen Trittin und Co. Diesmal wegen der Atompolitik: Es geht um einen Vertrag von 1986 und einen von 2002. Ersterer ist ein Atomvertrag mit Südkorea, der eine Zusammenarbeit zur friedlichen Nutzung der Kerntechnik regelt. Zweiterer ist ein Koalitionsvertrag mit den Bündnisgrünen, in dem eine Überprüfung des Ersteren festgeschrieben ist. Von einem Brief mal abgesehen, den Umweltminister Jürgen Trittin vor acht Wochen an das Haus Clement adressierte, ist eigentlich noch nichts passiert. Das aber ist Wolfgang Clement egal: Grünenbeschimpfung ist für einen Wirtschaftsminister traditionell die beste Form der Selbstverteidigung.

Doch Clements Dauerhickhack mit Trittin nervt das Publikum inzwischen gehörig. Statt zur Ent- wird er zur Belastung für Bundeskanzler Schröder. Denn Gestaltungskraft beweist man nicht mit Kleinkrieg, Gestaltungswille nicht mit der Kraft der Keule. Und Gestaltungserfolge sehen anders aus als die Minimalkonsense, die nach monatelangem Streit endlich herauskommen – und wegen ihrer Wässrigkeit keine Probleme mehr wirklich lösen. Immerhin, einen Vorteil hat Clements ständige Quertreiberei: Sie trägt gehörig dazu bei, dass sein Mutterland Nordrhein-Westfalen wahrscheinlich an die CDU verloren geht. Dank der konservativen Zweidrittelmehrheit im Bundesrat kann er sich dann mit Trittin streiten, wie er will: Es braucht niemand mehr zu interessieren. Gestalten kann die Regierung dann kaum noch. NICK REIMER