STEUERN RUNTER, LAUTETE LANGE DAS CREDO. NUN SOLLEN SIE STEIGEN : Probleme erschlagen die Ideologie
Die Politik der niedrigen Steuern, die sowohl Schwarz-Gelb als auch Rot-Grün in den vergangenen Jahren betrieben hat, ist gescheitert. Die von den ökonomischen Theoretikern versprochenen Effekte sind nicht eingetroffen: Weder boomt die Wirtschaft, noch steigen dadurch die Staatseinnahmen nennenswert an. Die Folge: Der neuen Regierung aus Union und SPD fehlen zur Finanzierung des Bundeshaushalts zwischen 40 und 60 Milliarden Euro. Das ist in etwa die Summe, die die Steuersenkungen gekostet haben.
Große Steuersenkungen müssen nicht des Teufels sein. Doch im Deutschland der wirtschaftlichen Stagnation war das eine überzogene Politik zur falschen Zeit – allen anderslautenden Theorien zum Trotz. Nun steht die neue Regierung vor der interessanten Frage: Schmeißen wir angesichts der Probleme unsere Ideologie über Bord? Genau darauf deutet manches hin. Verschiedene Varianten zur Erhöhung der Einkommensteuer, mehr Mehrwertsteuer: Die große Koalition der Steuersenker widerruft ihre eigene Politik.
Doch es wäre falsch, nun einfach das Gegenteil von dem zu tun, was vorher jahrelang praktiziert wurde. In einer Zeit der Kaufzurückhaltung kann es nicht das Mittel der Wahl sein, die Ausgabefreudigkeit der Bevölkerung durch höhere Verbrauchssteuern weiter zu trüben. Auch eine Erhöhung der Einkommensteuersätze sollte man gleich wieder vergessen. Die nominelle Belastung der Bürger und Unternehmen mit Sozialabgaben und Steuern muss international konkurrenzfähig sein. Und da liegt Deutschland gerade einmal im Mittelfeld – viel Spielraum für eine Erhöhung besteht somit nicht.
Also was? Die Antwort ist möglicherweise ziemlich einfach. Union und SPD kennen sie auch, weil sie von ihnen selbst stammt. Es gibt da diese Liste der Herren Koch und Steinbrück aus dem Jahre 2003 – ein Alphabet der überflüssigen Steuergeschenke. Ergänzt um Tabuthemen wie die Steuerbefreiung so genannter Dienstwagen und des Flugbenzins, würden die notwendigen Milliarden zusammenkommen. Der Staat braucht mehr Geld. Er sollte es sich allerdings an den richtigen Stellen holen. HANNES KOCH