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Archiv-Artikel

STEFFEN GRIMBERG DER WOCHENENDKRIMI Ein deutscher Islamist

Christian Marshall könnte eigentlich Everybody’s Darling sein. Nur dass manche Männer vor Neid erblassen, weil er so verdammt gut aussieht. Und so richtig intelligent ist (Abi-Schnitt 0,9). Und dabei noch so sozial engagiert, weil er türkisch- und arabischstämmigen Kindern Nachhilfe gibt. Doch Marshall (Ken Duken) ist ein deutscher Konvertit, der neben Rechnen und Geometrie auch noch islamistischen Hass predigt, selbst schon in Pakistan im Ausbildungslager war und mit seiner kleinen Hamburger Zelle den nächsten Terroranschlag längst geplant hat.

Dass Cenk Batu, der Ausnahme-Kommissar, sich ausgerechnet bei seinem vorletzten Auftritt sogar ein kleines bisschen verlieben darf, passt also so gar nicht zum ernsten Thema. Denn Batu (noch besser als sonst: Mehmet Kurtulus) soll im Auftrag der Polizei und des BKA Marshalls Gruppe unterwandern und den Anschlag verhindern – als gerade aus dem syrischen Knast freigekommener heiliger Krieger.

Den Wettbewerb im Auf-die-Ungläubigen-Schimpfen, der am Ende zum packenden Wettlauf gegen die Zeit gerät, hat Lars Becker (Buch und Regie) gleich doppelt gelungen inszeniert: als Thriller, der weit über den „Tatort“-Durchschnitt hinausgeht (auch wenn er auf eine kleine tricksende Wendung à la Edgar Wallace’ Chinese im Schrank nicht verzichten kann). Aber vor allem als Film, der eine ganz andere als die handelsübliche Auseinandersetzung mit religiösem Fanatismus und seinen Hintergründen wagt.

„Der Weg ins Paradies“ kommt ohne Hinterhofmoscheen und schmuddelige Import/Export-Läden aus, in denen so oft das Böse mit dem starren Blick im Fernsehen wohnt. Er führt den Islamismus in den soliden deutschen Mittelstand, ohne andere Faktoren wie die Überheblichkeit des deutschen Vorarbeiters gegen seine ausländischen Mitarbeiter auszublenden. Und ist dabei trotzdem nie bevormundend.

Hamburg-„Tatort“: „Der Weg ins Paradies“; So., 20.15 Uhr, ARD