STADTGESPRÄCH : Teflon-Mama an der Weichsel
GABRIELE LESSER aus Warschau Polens neue Regierungschefin bezaubert das Land
Sprachlos und stotternd – so desaströs hat sich Polens größte Oppositionspartei noch nie präsentiert. Die Umfragewerte der rechtsnationalen „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) purzeln. Der Sieg, den die Partei bei den nächsten Parlamentswahlen 2015 schon sicher glaubte, rückt wieder in weite Ferne. Der Grund heißt: Ewa Kopacz.
Polens neue Premierministerin prägt einen neuen Politikstil: Freundlich-lächelnde Frauenpower, pragmatisch und sozial. Damit kommt der Opposition der Feind abhanden. Und nach erster Skepsis loben inzwischen die meisten Polen die neue „Teflon-Mama“, die frauenfeindliche Kommentare seitens der linken und rechten Opposition konterkariert, indem sie nicht darauf reagiert. Dadurch fällt Kritik im Stil von „provinziell, inkompetent und infantil“ auf die Opposition zurück.
Auch die erste Feuerprobe im Ausland hat Polens neue Premierministerin jetzt gut überstanden: Brüssel, Berlin, Paris. Am meisten Angst hatten die Polen vor dem Deutschlandbesuch. Immerhin war Donald Tusk, der überaus erfolgreiche bisherige Premier, der zum 1. Dezember nach Brüssel wechseln und dort den Posten des EU-Ratspräsidenten übernehmen wird, persönlich mit Angela Merkel befreundet. Selbst den Fernsehbildern merkte man an, dass die Chemie zwischen den beiden stimmte. Aber Ewa Kopacz? Die gelernte Kinderärztin aus der Provinz? Kommt die klar mit der mächtigsten Politikerin Europas? Und mit dem nicht ganz so mächtigen François Hollande?
Die Skepsis war groß, auch deshalb, weil zuvor die polnischen Medien ausgesprochen kritisch bis negativ über die deutsche und französische Außenpolitik berichtet hatten. Seit Monaten ist die Ukraine-Krise Topthema aller politischen Gespräche in Polen. Insbesondere in den Grenzregionen zur Ukraine und zur russischen Exklave Kaliningrad herrscht Angst. Noch vor dem Nachrichtenmagazin Der Spiegel berichteten polnische Zeitungen über die Unfähigkeit der Bundeswehr, den Polen im Notfall zur Hilfe zu kommen. Sollten „grüne Männchen“ über die polnische Grenze kommen, wie im Falle der Ukraine, könnte sich Polen nur ein paar Tage verteidigen – Deutschland aber, der angeblich inzwischen engste Freund der Polen, würde drei Monate brauchen, um überhaupt erst in die Gänge zu kommen: Hubschrauber der Bundeswehr sind kaputt, Flugzeuge können nicht aufsteigen, die Ausrüstung ist veraltet.
Als die Polen das lasen und hörten, waren sie entsetzt, glaubten sie sich doch in der Nato halbwegs sicher. Es folgten Schlagzeilen wie „Die Deutschen werden uns nicht verteidigen“ oder „Auf die Deutschen ist kein Verlass“. Und selbst bei Diskussionen im Freundeskreis wird dies so gesagt – ganz zu schweigen von Frankreich, dank seiner Rüstungsgeschäfte mit Moskau der „Verräter Europas“.
Nun gibt es Fernsehbilder aus Paris und Berlin: Kopacz mit Hollande und vor allem Kopacz mit Merkel. Man sei sich über die Ukraine einig, wird nach dem Berliner Termin berichtet. Während Tusk im polnischen Abgeordnetenhaus ausschweifende Vorträge hielt, geht bei Kopacz alles knapp und direkt. Es sieht nach Pragmatik aus, nicht nach großen Visionen. Vielleicht, so denken manche bereits, spielt Kopacz bald eine ähnliche Rolle in der Weltpolitik wie Merkel. Die Polen hoffen auf ein neues Duo.